Nachweisgesetz | Wer schreibt, der bleibt

Nachweisgesetz: Auswirkungen und Risiken für das Taxigewerbe

Aus der Verbandspraxis: Das deutsche Nachweisgesetz verpflichtet Arbeitgeber, die wesentlichen Bedingungen arbeitsvertraglicher Vereinbarungen aufzuzeichnen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.

Dieser Verpflichtung ist spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses nachzukommen, wenn das Arbeitsverhältnis länger als einen Monat andauert. Dasselbe gilt, wenn wesentliche Vertragsbedingungen – zu einem späteren Zeitpunkt – geändert werden.

Etwaige Verstöße können zu nennenswerten Schadensersatzansprüchen führen. In der Praxis stellen unvollständige oder verspätete Nachweise zu den Arbeitsbedingungen im Taxi- und Mietwagengewerbe eine erhebliche arbeitsrechtliche Gefahr dar. Themen wie Minijob, Vergütungsmodelle, Privatnutzung und Ähnliches werden häufig nicht in der erforderlichen Weise aufgezeichnet oder die Aufzeichnung dem Arbeitnehmer nicht ausgehändigt.

Nachweisgesetz Buch (s/w)

1. Was regelt das Nachweisgesetz?

Das Nachweisgesetz (ein sehr kurzes Gesetz mit nur 6 Paragrafen) verlangt, dass Arbeitgeber die „wesentlichen Vertragsbedingungen“ eines Arbeitsverhältnisses innerhalb gesetzter Fristen schriftlich niederlegen, unterzeichnen und aushändigen. Seit der Reform des Gesetzes zum 01.01.2025 ist für die Erfüllung dieser Verpflichtungen auch die elektronische Form möglich. Eine umfassende Information zur Thematik finden Sie auf der Seite der IHK München für Oberbayern unter diesem Link.

2. Rechtsfolgen: Schadensersatz und Beweislast

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner Entscheidung vom 22.09.2022 klargestellt, dass ein Arbeitgeber schadensersatzpflichtig werden kann, wenn er die vorliegende Nachweispflicht verletzt und der Arbeitnehmer hierdurch eine Ausschluss- oder Verfallfrist versäumt hat.

Das BAG betonte die adäquat-kausale Verknüpfung zwischen Pflichtverletzung und Schaden.

Im konkreten Fall ging es um die Nichtmitteilung einer tariflichen Ausschlussfrist. Konsequenz: Arbeitgeber können für verlorengegangene Vergütungsansprüche haften.

Das Urteil finden Sie hier.

Wichtiger Hinweis:

Die Entscheidung (BAG, 22.09.2022 — 8 AZR 4/21) bezog sich auf die bis dahin geltende Fassung des NachwG, ist aber im Lichte der erweiterten Nachweispflichten und der aktuellen Gesetzeslage weiterhin richtungweisend.

Nach wie vor gilt, dass Arbeitgeber einer umfangreichen Dokumentations- und Hinweispflicht unterliegen.

Nachweisgesetz Diagramm

3. Relevante Urteile

  • BAG, Urteil vom 22.09.2022 | 8 AZR 4/21
    Kernaussage: Kommt der Arbeitgeber seiner Nachweispflicht nicht nach und versäumt der Arbeitnehmer deshalb eine Ausschlussfrist, kann ein Schadensersatzanspruch bestehen. Der Arbeitgeber trägt das Risiko der Verspätung der Information. Dieses Urteil ist wegweisend für die Haftung wegen unvollständiger Arbeitsnachweise.
  • Sozialgericht Dortmund | Beschluss vom 05.02.2018, Geschäftszeichen S 34 BA 1/18 ER
    Kernaussage (Praxisrelevanz für Taxigewerbe): Gerichtliche Entscheidungen zu Miet- oder Pachtmodellen (sog. „Mietfahrer“) haben gezeigt, dass Fahrer unter bestimmten Modellen als abhängig Beschäftigte eingestuft werden können, wenn z. B. das Unternehmerrisiko fehlt, der Fahrer in die Organisation der Zentrale eingegliedert ist usw. Dies beeinflusst, welche Nachweispflichten Arbeitgeber erfüllen müssen und welche arbeits- bzw. sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen drohen (sehr ähnlich LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.06.2022, Geschäftszeichen L 28 BA 23/19).

4. Konkrete Handlungsanforderungen für Taxi- und Mietwagenunternehmen

  • Systematisches Nachweismanagement einführen

    • Standardisierte Nachweisdokumente für alle Beschäftigungsformen (Festangestellte, Teilzeit, geringfügige oder kurzfristige Beschäftigung). Inhalt: Beginn und Ende der Beschäftigung, Vergütungssystem/Lohnmodell, Arbeitszeitregelung, Ausschlussfristen, Bezugnahmen auf Betriebsvereinbarungen, Sonderregelungen (z. B. Schichtzulagen) usw.

  • Besondere Aufmerksamkeit bei untypischen Beschäftigungsformen (Vorsicht: Haftungsrisiko für Sozialversicherungsbeiträge!)

    • Prüfen, ob das Modell unter sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten als abhängige Beschäftigung anzusehen ist. Wenn ja: Arbeitsvertrag und Nachweis müssen die tatsächlichen Bedingungen widerspiegeln. Hinweis auf mögliche Folgen bei Nichtbeachtung (Beitragsnachzahlung + Säumniszuschläge!). Tipp: bei untypischen Beschäftigungsmodellen sollen Sie – um in keine Sozialversicherungsfalle zu tappen – unbedingt die Expertise Ihres Steuerberaters einholen. 

  • Ausschlussfristen transparent benennen

    • Jede vertraglich vorgesehene Ausschluss- oder Verfallfrist muss in der Nachweisdokumentation explizit genannt werden. Die BAG-Rechtsprechung macht deutlich: Unterlassen Arbeitgeber die Hinweispflicht, riskieren sie Schadensersatzansprüche.

  • Formfragen beachten (Textform vs. Schriftform)

    • Prüfen Sie aktuell geltende Formanforderungen (Rechtsstand prüfen: Änderungen bis 2024/2025 können Formvorgaben verschieben). In Einzelfällen ersetzt ein vollständiger Arbeitsvertrag den gesonderten Nachweis. Aber nur, wenn die gesetzlichen Formanforderungen erfüllt sind.

  • Dokumentations- und Fristenkontrolle

Implementieren Sie einen Fristen-Check für Ihre Beschäftigungsverhältnisse (Nachdokumentation bei Änderungen, Nachweis binnen Monatsfrist bei Beginn). Protokollieren Sie die Aushändigung der Dokumentation, vorzugsweise durch Empfangsbestätigung durch den Arbeitnehmer. So reduzieren Sie etwaige Beweis- und Haftungsrisiken.

5. Fazit

Kernsatz: Taxi-Unternehmer sollten die jeweiligen Arbeits- und Vertragsbedingungen systematisch dokumentieren, unterzeichnen und dem betroffenen Arbeitnehmer zur Verfügung stellen.

Für das Taxigewerbe ist das Nachweisgesetz kein abstraktes „Arbeitsrechtsthema“. Ganz im Gegenteil: es ist praxisrelevant und berührt zentrale Betriebsprozesse: Inhalt des Arbeitsvertrages, Lohnmodell, Schichtorganisation, Abgrenzung von selbstständiger zu lohnabhängiger Tätigkeit usw. Die aktuelle Rechtsprechung (insbesondere BAG 8 AZR 4/21) erhöht das Haftungsrisiko für Taxi- und Mietwagenunternehmen bei Dokumentationsfehlern.

Was Sie tun müssen

  • kurzfristige Auditierung aller Arbeitsverträge und Nachweise
  • Anpassung von Formularen und Abläufen
  • Sicherstellung der Erfordernisse des NachwG
  • Sensibilisierung und Schulung der Personalverantwortlichen

Nachweisgesetz Whiteboard

Unter dem folgenden Link finden Sie eine lesbare Zusammenfassung zum Thema „Nachweisgesetz“. Die Dokumentationsverpflichtung ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Im Zweifel und bei Fragen zum Nachweisgesetz kontaktieren Sie bitte Ihre steuerliche Vertretung und/oder Ihren Rechtsanwalt.

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