Kommentar: Mindestlohn 14,60 Euro | Gefahr für das Taxi- und Mietwagengewerbe?

Die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 15,00 Euro stand während des Bundestagswahlkampfes im Zentrum der politischen und gesellschaftlichen Diskussion. Eine Anpassung in dieser Höhe wird als notwendiger Schritt zur Armutsbekämpfung und sozialen Gerechtigkeit angesehen. Viele Befürworter argumentierten, dass ein solches Lohnniveau den Menschen ein ausreichendes Auskommen garantiere, ohne dass sie auf ergänzende staatliche Unterstützung angewiesen sind. So richtig und nachvollziehbar dieses gesellschaftspolitische Ziel auch sein mag, ist es dennoch notwendig, die Auswirkungen auf einzelne Branchen differenziert zu betrachten. Besonders betroffen ist ohne jeden Zweifel das Taxi- und Mietwagengewerbe, das bereits heute unter enormem wirtschaftlichen und strukturellen Druck steht.

Branchenspezifische Rahmenbedingungen

Im Gegensatz zu anderen Dienstleistungssektoren unterliegt das Taxi-Gewerbe einem stark regulierten Umfeld.

Preise für Taxifahrten werden bekanntlich nicht durch die Marktmechanismen hergestellt, sondern von den Kommunen nach §§ 39 Abs. 2 i.V.m. 51 Abs. 3 PBefG festgelegt.

Die Taxitarife sollen ausgleichend wirken und die sogenannte „Auskömmlichkeit“ des Verkehrs sicherstellen, um einerseits dem Fahrgast faire und bezahlbare Preise zu garantieren und andererseits den Unternehmern einen wirtschaftlichen Betrieb zu ermöglichen.

Doch die Praxis zeigt, dass Tarifgenehmigungsverfahren langwierig, politisch aufgeladen und vielfach nicht an den realen betrieblichen Kosten (einschließlich eines angemessenen Gewinnzuschlags) orientiert sind.

Anpassungen des Taxitarifes aufgrund gestiegener Betriebskosten (nicht nur im Personalbereich), können oft nur mit erheblicher Zeitverzögerung umgesetzt werden. Wir berichteten bereits mehrfach.

Mindestlohn 15 Euro Taxi

Der Mindestlohn von EUR 14,60 wird die betrieblichen Kosten in unserer Branche exorbitant ansteigen lassen. Aktuell liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 12,82 Euro (Stand: 01. Januar 2025). Die geplante Anhebung des Mi-Lohns zum 01.01.2026 auf brutto EUR 13,90 pro Arbeitsstunde entspricht einem Zuwachs von rund 8,42 Prozent (!). Wenn man Lohnnebenkosten, Urlaubsansprüche, Feiertagszuschläge, Nachtarbeit sowie die Tatsache berücksichtigt, dass ein erheblicher Teil der Arbeitszeit im Taxi- und Mietwagengewerbe aus Warte- und Leerzeiten besteht, wird deutlich, dass sich die effektiven Kosten pro geleisteter Arbeitsstunde mit den derzeitigen Taxi-Tarifen weitestgehend nicht kompensieren lassen.

Wirtschaftliche Folgen für Betriebe

Die meisten Taxi- und Mietwagenunternehmen in Bayern sind kleine oder mittlere Unternehmen, in der Regel inhabergeführt. Viele von ihnen verfügen nicht über die erforderlichen Rücklagen oder die betriebswirtschaftliche Flexibilität, um die vorliegende Lohnsteigerung ohne Weiteres aufzufangen zu können. Eigenkapital ist erfahrungsgemäß – jedenfalls im nennenswerten Umfang – nicht vorhanden. Man sollte sich darüber nicht wundern: Corona, die kriegsbedingte Dieselpreiseskalation und das dritte Rezessionsjahr in Folge haben die letzten Reserven, die Altersvorsorge und das Eigenkapital weitestgehend aufgezehrt. Die Betriebe stehen mit dem Rücken an der Wand. Uber + Co. und last, but not least, die deutlich unterpreisigen und damit unauskömmlichen Sondervereinbarungen der großen Kostenträger machen die ökonomische Situation nicht besser.

Die nichtkompensierbaren wirtschaftlichen Folgen der geplanten MiLo-Erhöhung werden

  • betriebsbedingte Kündigungen,
  • Betriebspflichtentbindungen
  • und die Reduzierung des Taxi-Angebotes auf die wenigen lukrativen Tageszeiten sein.

Auch Insolvenzen und die Illegalität (quasi ultima-ratio) sind nicht mehr auszuschließen.

Besonders prekär ist die Lage im ländlichen Raum, wo das Beförderungsangebot ohnehin schon ausgedünnt ist.

Der öffentliche Verkehrsträger hat sein Mobilitätsangebot weitestgehend heruntergefahren. Dort wo vernünftiger ÖPNV vorhanden ist, wird dieser häufig nur durch hochsubventionierte On-Demand-Verkehre durchgeführt.

Mindestlohn Bayern nicht umsetzbar

Eine weitere Reduzierung des Verkehrsangebotes Taxi würde hier nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale Folgen nach sich ziehen: ältere Menschen, Menschen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen, die auf Beförderungsleistungen angewiesen sind, wären in ihrer Mobilität massiv eingeschränkt. Will heißen: dass bereits vielfach zu beobachtende Taxisterben in der Fläche wird sich noch verstärken.

Auch im Mietwagengewerbe, das anders als das Taxi nicht der Tarifbindung unterliegt, sind die wirtschaftlichen Auswirkungen eines höheren Mindestlohns gravierend. Zwar können Mietwagenunternehmen ihre Preise theoretisch frei gestalten, jedoch steht die Branche unter einem enormen Wettbewerbsdruck. Neben den dominierenden Kostenträgern im Bereich der Krankenkassen, machen große Plattformanbieter wie Uber und Bolt dem „ordentlichen“ Mietwagen das Leben schwer. Diese Plattformdienste operieren – häufig illegal – mit digitalen Strukturen und hocheffizienten prekarisierten Subunternehmermodellen. Kleine und mittelständische Mietwagenunternehmen können unter diesen wettbewerbsfeindlichen Bedingungen keine kostendeckenden Fahrpreise mehr durchsetzen, jedenfalls dann nicht, wenn gleichzeitig die Personalkosten durch die Decke schießen.

Arbeitsmarktpolitische Verzerrungen

Ein weiterer Aspekt, der in der Debatte um den Mindestlohn oft ausgeblendet wird, ist die Attraktivität des Berufsbildes selbst. Höhere Löhne allein machen einen Beruf nicht automatisch interessanter. Die Arbeit als Taxifahrer oder Mietwagenfahrer ist durchaus anspruchsvoll: unregelmäßige Arbeitszeiten, hohe Verantwortung, ständiger Kundenkontakt und psychische Belastungen (Stichwort Stress) gehören zu unserem Alltag. Ohne flankierende Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, etwa durch digitalisierte Einsatzplanung, Sicherheitstechnik, geregelte Pausenzeiten oder ganz grundsätzlich die Wertschätzung durch die Gesellschaft, wird auch ein Mindestlohn von 14,60 Euro keine nachhaltige Verbesserung bringen. Im Gegenteil: Wenn Unternehmen, die ohnehin schon wirtschaftlich nicht auf Rosen gebettet sind, durch eine MiLoG-Lohnsteigerung unter Druck geraten, ist nicht auszuschließen, dass die Qualität der Arbeitsbedingungen sinken wird. Hier wird an der falschen Stelle gespart, aber was ist schon die falsche Stelle, wenn die Alternative die Insolvenz ist?

Soziale und gesellschaftliche Auswirkungen

Das Taxi ist ein essentieller Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Verkehrsform übernimmt Aufgaben, die durch Bus und Bahn nicht abgedeckt werden können: Krankenfahrten, Beförderung mobilitätseingeschränkter Personen, Beförderungsleistungen in der Nacht oder in Randlagen und immer dann, wenn „Not am Mann ist“. Wenn dieser Mobilitätsgrundbedarf durch wirtschaftliche Zwänge weiter ausgedünnt wird, verliert unsere Gesellschaft ein wichtiges Element der sozialen Teilhabe. Auch die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und Land wird dadurch nicht nur unerheblich gefährdet.

Die Mietwagenbranche übernimmt enorm wichtige Aufgaben in der Gesundheitslogistik, etwa bei der Beförderung von Patienten zu ambulanten Behandlungen, zur Dialyse und im Bereich der onkologischen Personenbeförderung. Diese Leistungen sind oft in Vergütungssysteme eingebunden (sogenannte „Sondervereinbarungen“, die meist nur unterpreise Diktatverträge sind), die feste Preise pro Fahrt oder Kilometer vorsehen. Eine Anpassung an gestiegene Personalkosten, diese werden als „Preisgleitklausel“ bezeichnet, ist dort meist nicht vorgesehen oder jedenfalls nur schwer umsetzbar. Die Folge werden Versorgungsengpässe sein oder ein Rückzug der ordnungsgemäß arbeitenden Mietwagen-Unternehmen aus diesem wichtigen Verkehrssektor. Die Entwicklung „Taxi-Sterben“ hat bereits begonnen und wird durch die Mindestlohnerhöhung sicher noch verstärkt.

Wir verweisen auf ein aktuelles Beispiel aus dem Landkreis Kitzingen. Dort war es – trotz der angeblich guten Ertragslage – über viele Monate hinweg nicht möglich, einen Unternehmer zu finden, der einen Taxi-Betrieb gründen möchte. Das bisherige Unternehmen hatte aufgegeben, die Begründung liest sich wie ein who-is-who der Insolvenz und Illiquidität: erdrückende Kosten, kein Personal, unauskömmlicher Taxi-Tarif…

Kurzer Einschub: Der Landkreis Kitzingen hatte sich Anfang 2025 hilfesuchend an den Landesverband Bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmen e.V. gewandt. Wir haben sofort reagiert und unsere Mitglieder mit einer News informiert. Inzwischen ist dort ein branchenunerfahrener Taxi-Unternehmer am Start. Wir wünschen viel Glück und allseits gute Fahrt.

Notwendigkeit einer differenzierten Mindestlohnpolitik

Es steht außer Frage, dass Arbeit fair entlohnt werden muss. Auch im Taxi- und Mietwagengewerbe gibt es Nachholbedarf bei der Einkommenssituation vieler Fahrerinnen und Fahrer. Dennoch sollte die Politik sorgfältig prüfen, ob ein pauschaler, branchenunabhängiger Mindestlohn das zielführende Instrument ist. Wir empfehlen vielmehr einen differenzierten Ansatz, der branchenspezifische Realitäten anerkennt und mit flankierenden Maßnahmen verbindet:

  1. Tarifliche Ausnahmen: Die Möglichkeit, tarifvertraglich von gesetzlichen Mindestlöhnen abzuweichen zu können, sollte gestärkt werden. Voraussetzung ist eine funktionierende Sozialpartnerschaft in der Branche.
  2. Begleitende Maßnahmen: Staatliche Unterstützung in Form von Steuererleichterungen, Investitionshilfen (z.B. im Bereich der Digitalisierung) oder Zuschüsse, die die Eigenwirtschaftlichkeit des Taxi-Gewerbes unterstützen, können helfen, die mindestlohnbedingte Kostenmehrbelastung abzufedern. Wenn Politik und Gesellschaft erwarten, dass eine flächendeckende Mobilitätsversorgung anytime-anywhere gesichert ist, dann müssen auch die entsprechend Fördergelder bereitgestellt werden. Der Markt selbst wird es nicht richten, insbesondere dann nicht, wenn der Markt (jedenfalls für die Verkehrsform Taxi) stark reguliert und einem illegal-disruptiven Wettbewerb schutzlos ausgesetzt ist.
  3. Schnellere Tarifgenehmigungsverfahren: Kommunen müssen gesetzlich verpflichtet werden, Überprüfungen und Genehmigungen der jeweiligen Taxitarife binnen festgelegter Fristen vorzunehmen, was anundfürsich sowieso deren Aufgabe ist. Nur so können überobligatorische Kostensteigerungen zeitnah kompensiert werden. Dass das ein Wunschtraum ist, ist klar. Wir beobachten bundesweit ein strukturelles Problem: Die Finanz-, Sachmittel- und Personalausstattung der allermeisten Kommunen lassen einen stringenten Vollzug des PBefG nicht zu. Was genauso wahr wie traurig ist.

Fazit

Ein gesetzlicher Mindestlohn von EUR 14,60 zum 01. Januar 2027 mag aus gesamtgesellschaftlicher Sicht sinnvoll erscheinen. „Fairer Lohn für gute Arbeit“ kann kein Fehler sein. Doch im Taxi- und Mietwagengewerbe droht eine nicht kompensierbare Mindestlohnerhöhung das Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher Tragfähigkeit, Arbeitsplätzen und Versorgungsauftrag zu kippen. Eine sozialpolitische Debatte im Kontext „Auswirkung des Mindestlohnes auf das Taxi- und Mietwagengewerbe“ ist realistisch betrachtet, längst überfällig. Nur so lassen sich in unserer Branche Lösungen entwickeln, die dauerhaft tragfähig und gesellschaftlich verantwortbar sind.

Unser Fazit: Mindestlohn ja, aber bitte mit Maß und Mitte.

Die aktuelle Stellungnahme des Taxi- und Mietwagenverbandes Deutschland e.V. (TMV) zur Thematik finden Sie hier.

Nota bene

Im Beschluss der MiLoG-Kommission findet sich der kryptische Satz „Für das Jahr 2026 lassen die angekündigten Maßnahmen der Bundesregierung eine Aufhellung der wirtschaftlichen Lage erhoffen.“ Wir gehen davon aus, dass sich die ökonomische Situation des bundesdeutschen Taxi- und Mietwagengewerbes nicht signifikant verbessern wird.

Aber, die Hoffnung stirbt zuletzt.

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