Fahrzeugschein – besser Schein als sein

Fahrzeugschein Original? Mitführen. Punkt.

1. Rechtslage, Rechtsprechung und Praxis

Muss der Fahrzeugführer die Zulassungsbescheinigung Teil I im Original mitführen?

Kurzantwort: ja.

Die Zulassungsbescheinigung Teil I (ZB I, umgangssprachlich „Fahrzeugschein“ genannt) ist nach geltendem Recht von der das Fahrzeug führenden Person während der Fahrt

  • mitzuführen und
  • auf Verlangen auskunftsberechtigten Personen auszuhändigen.
Zulassungsbescheinigung Fahrzeugschein

Das ergibt sich unmittelbar aus § 13 Abs. 6 FZV. Die Vorschrift verlangt eine Urkunde – also das Original. Eine bloße Kopie (egal ob Papier oder digital) genügt nicht. Wer die ZB I nicht mitführt oder nicht vorzeigt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Der Bußgeldkatalog sieht dafür regelmäßig EUR 10,00 Verwarnungsgeld vor (unterschieden nach: „nicht mitgeführt“ bzw. „auf Verlangen nicht ausgehändigt“). Für den Taxibetrieb gilt nichts Abweichendes – das FZV-Gebot gilt uneingeschränkt auch für Taxen und Mietwagen.

Das Mitführen einer Kopie ist allerdings nicht strafbar. Urkundenfälschung (§ 267 StGB) kommt nur in Betracht, wenn eine Kopie als Original in den Verkehr gebracht wird, also der Eindruck eines echten Dokuments erweckt werden soll. Das hat der BGH mehrfach klargestellt.

2. Rechtsgrundlagen

Die zentrale Vorschrift, der sich entnehmen lässt, dass sowohl eine Mitführungs- als auch Vorlagepflicht besteht, ist § 13 Abs. 6 FZV: „Die Zulassungsbescheinigung Teil I ist von der das Fahrzeug führenden Person mitzuführen und zuständigen Personen auf Verlangen zur Prüfung auszuhändigen.“. Die Norm richtet sich an die fahrzeugführende Person, also an den Fahrer und nicht nur an den Halter. Sie ist eine dokumentenbezogene (ZB I) sowie auch verhaltensbezogene Pflicht (weil auf das „Mitführen und Aushändigen“ abgestellt wird).

Rechtsfolgen bei Verstößen (BKatV): Das Akronym BKatV ist die „Bußgeldkatalog-Verordnung“, eine Rechtsverordnung des deutschen Bundesverkehrsministeriums, die im sogenannten Bußgeldkatalog die Regelsätze für Bußgelder und Verwarnungsgelder bei Verkehrsordnungswidrigkeiten festsetzt und die Voraussetzungen für die Dauer eines Regelfahrverbots definiert. Im vorliegenden Fall ist das Verhalten bußgeldbewehrt:

  • ZB I nicht mitgeführt:  EUR 10,00
  • ZB I auf Verlangen nicht ausgehändigt: EUR 10,00
Zulassungsbescheinigung Fahrzeugschein Taxi

Die BKat-Anlage verweist ausdrücklich auf § 13 Abs. 6 Satz 1 FZV als verletzte Norm. Die Ahndung erfolgt in der Regel über das jeweilige Verwarnungsgeld (beide Varianten EUR 10,00). Ein Fahrverbot oder gar Punkte sind nicht vorgesehen.

Geltung für Taxis und Mietwagen: Das FZV-Gebot gilt fahrzeugartübergreifend und damit auch für Taxen und Mietwagen. Die FZV ist die Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr.Sie hat die zulassungstechnischen Teile der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung und die bisherige Fahrzeugregisterverordnung abgelöst und normiert die Zulassung von Fahrzeugen zum öffentlichen Straßenverkehr in Deutschland. Sonderregelungen im PBefG oder der BOKraft ändern daran nichts. Das BVerwG hat zur Dokumenten-/Ausweispflicht im Taxi-Kontext generell festgestellt, dass der Verordnungsgeber Anforderungen an das Verhalten von Betriebsbediensteten (z. B. Ausweis im Taxi) regeln darf. 

3. Reicht eine Kopie? (Papierkopie oder Digitalbild)

§ 13 Abs. 6 FZV verlangt die Zulassungsbescheinigung Teil I im Original, also keine Reproduktion mit Zusatz „Abschrift“ oder „Kopie“. Grundsätzlich ist bei Urkundenpflichten im Zweifel vom Original auszugehen. Nur bei diesen ist die Beweisfunktion und Fälschungssicherheit gewährleistet. Das spiegelt sich auch im System der FZV wider, das für die ZB I Sicherheitsmerkmale (Sicherheitscode u. a.) vorschreibt, welche sich mit einer simplen Kopie gerade nicht nachweisen lassen.

Die bundeseinheitliche Sanktionsmöglichkeit von EUR 10,00 stellt klar auf „nicht mitgeführt“ bzw. „nicht ausgehändigt“ ab. Eine Kopie wird in der Regel nicht als Erfüllung gewertet. Das stützt die Auslegung, dass das Original der ZB I verlangt ist.

Digitaler Fahrzeugschein: Eine amtliche digitale ZB I als vollwertiger Ersatz existiert derzeit nicht. Das Erfordernis des Mitführens bleibt daher alleine physisch. Sofern künftige Spezialregelungen – etwa für autonome/ferngelenkte Fahrzeuge – Abweichungen zulassen, sind diese ausdrücklich normiert und auf diese Sonderfälle beschränkt.

Ergebnis: Eine Kopie genügt nicht. Erforderlich ist die Original-ZB I.

4. Strafrechtliche Risiken 

Der BGH unterscheidet klar:

  • Einfache Fotokopien, die als Kopie erkennbar sind, sind keine Urkunden im Sinne des § 267 StGB
  • Eine Kopie kann zur „Urkunde“ werden, wenn sie als Original in den Verkehr gebracht wird, also der Anschein eines echten Originals erweckt wird („unechte Urkunde“). In diesem Fall kommen Herstellen und Gebrauchen einer unechten Urkunde als Straftatbestand in Betracht.

Anwendung auf die Taxipraxis:

  • Mitführen und Vorzeigen einer erkennbaren Kopie ist keine offenkundige Urkundenfälschung, erfüllt aber nicht die Mitführpflicht. Die Folge ist eine Ordnungswidrigkeit in Höhe von EUR 10,00.
  • Strafrechtlich relevant kann es dann werden, wenn jemand wissentlich und wollentlich eine Kopie als vermeintliches Original ausgeben will (z. B. Farbkopie, laminiert, manipulierter Eindruck o.ä.). Dann kann § 267 StGB einschlägig sein.
  • Tipp: die ZB I nur in schwarz-weißer Kopie anfertigen und erkennbar auf der Vorder- und Rückseite mit „Kopie“ beschriften

5. Drei einschlägige Gerichtsentscheidungen

  1. BGH, Urteil vom 24. 01. 2013 – 3 StR 398/12
    Kernaussage: Eine Fotokopie ist grundsätzlich keine Urkunde. Ausnahme: Wird sie als Original in den Verkehr gebracht (Täuschungsansatz), kann sie Urkundenqualität besitzen. Urkundenfälschung ist dann möglich. Relevanz: Der Beschluss erklärt, warum die bloße Kopie zwar die FZV-Pflicht nicht erfüllt, aber strafrechtlich nur beim Vortäuschen eines Originals problematisch ist.
  2. BVerwG, Urteil vom 30. 04. 2008 – 3 C 16.07
    Kernaussage: Der zuständige Verordnungsgeber darf Anforderungen an das Verhalten von Betriebsbediensteten (z. B. Ausweispflicht im Taxi) regeln. Die Grundrechte werden dadurch nicht verletzt. Das Urteil unterstreicht, dass dokumentenbezogene Pflichten im Taxi zulässig sind. Die FZV-Mitführpflicht gilt auch im Taxenbetrieb.
  3. OLG Celle, Urteil vom 02. 08. 2007 – 8 U 62/07
    Kernaussage: Aufbewahrung von Fahrzeugpapieren im Fahrzeug kann Versicherungsfragen tangieren (grobe Fahrlässigkeit bei Diebstahlkonstellationen wurde vom OLG Celle verneint, das OLG Oldenburg später strenger). Die Entscheidung zeigt die zivilrechtlichen Risiken einer dauerhaften Verwahrung der ZB I im Fahrzeug auf, was organisatorisch für Taxi- und/oder Mietwagenunternehmen relevant sein kann.

Das OLG-Thema betrifft primär Versicherungsrecht bei Diebstahl und eben nicht die Mitführungs- und Vorzeigeverpflichtung im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle. Es unterstreicht aber die Organisationspflicht für das Verkehrsunternehmen, Originale verfügbar zu halten, ohne sie vermeidbar im Fahrzeug zu belassen.

6. Besonderheiten und Praxis für Taxi- und Mietwagenunternehmen

Für Unternehmen mit Flottenbetrieb (sogenannte „Mehrwagenunternehmen“) ist zwischen der Halterpflicht und den individuellen Pflichten des Fahrzeugführers zu unterscheiden.

Der Fahrzeughalter muss sicherstellen, dass die Original-ZB I im jeweiligen Einsatzfahrzeug verfügbar ist (er muss die ZB I physisch „zur Verfügung stellen“), während der Fahrzeugführer darauf zu achten hat, dass die ZB I tatsächlich an Bord ist und dass er diese und auf Verlangen den prüfungsbefugten Personen aushändigen kann. 

So steht es in § 13 Abs. 6 FZV.

Fahrzeugschein Kontrolle (Comic)

Empfehlung:

  • Dokumentenmanagement (Ausgabe- und Rückgabeprotokoll, Übergabe des Fahrzeugschlüssels zusammen mit der ZBI oder ähnliche organisatorische Lösungen)
  • Kein dauerhaftes Belassen im Fahrzeug (Diebstahlrisiko, zivilrechtliche Haftungsfrage). Interne betriebliche Regelungen unter Verweis auf OLG-Rechtsprechung festlegen.

Zusammenspiel mit weiteren Pflichten im Taxi: Neben der ZB I sind im gewerblichen Personenverkehr weitere Dokumente vorzuhalten und/oder mitzuführen (z. B. Fahrerlaubnis Klasse B, Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung nach § 48 FeV, betriebsbezogene Nachweise, Ausweisdokument nach SchwarzArbG u.a.). Das ändert nichts an der eigenständigen FZV-Pflicht zur ZB I. Das BVerwG hat die Zulässigkeit von Ausweis-/Informationspflichten im Taxi-Kontext bestätigt.

7. Typische Fragen aus der Praxis

„Wir haben eine hochwertige, farbige Kopie (laminiert) im Wagen – ausreichend?“

Nein. Mitführpflicht verlangt die Original-ZB I. Die Kopie kann die Kontrolle erleichtern, ersetzt die Pflicht aber nicht. Im Extremfall (laminiert und auf „Original getrimmt“) droht sogar der Verdacht des Vortäuschens eines Originals und damit ein strafrechtliches Risiko.

„Reicht ein Digitalfoto der ZB I auf meinem Handy?“

Nein: Hilfreich möglicherweise für interne Abläufe, rechtlich aber kein ausreichender Ersatz. Das Original der Zulassungsbescheinigung Teil 1 ist weiterhin erforderlich.

„Was passiert bei einer Verkehrskontrolle ohne ZB I?“

Regelfall: EUR 10,00 Verwarnung („nicht mitgeführt“) oder EUR 10,00, wenn die Aushändigung verweigert wird. Keine Punkte in Flensburg (Eintragungen im deutschen Fahreignungsregister FAER)  und auch kein Fahrverbot. Aber: Bei weiteren Unklarheiten (Zulassung/Halter usw.) kann und wird wohl die fragliche Verkehrskontrolle länger dauern (beispielsweise zum Identitäts- und Zulassungsabgleich).

„Darf die ZB I im Fahrzeug verbleiben?“

Rein straßenverkehrsrechtlich: ja. Dies ist allerdings aufgrund der beschriebenen Diebstahl- und Versicherungsproblematik nicht zu empfehlen. Besser: Organisieren Sie die Dokumenten-Übergabe bei Schichtbeginn und -ende, sodass keine Dauerverortung der ZB I im Fahrzeug stattfindet.

8. Ergebnis und Handlungsempfehlungen (für Taxi-/Mietwagenflotten)

  • „Original-Prinzip“ verbindlich festlegen: Dienstanweisung erstellen, dass ausschließlich die Original-ZB I mitgeführt werden darf. Kopien können nur Backup sein, beispielsweise, wenn das Original nicht auffindbar ist.
  • Dokumentenlogistik:
    • Ausgabe der ZB I gemeinsam mit Wagenschlüssel, Tankkarte und dergleichen
    • Rücknahme am Schichtende. Dokumentation anhand einer Checkliste
  • Briefing des Fahrpersonals: Regelmäßige Unterweisungen (Vorschlag quartalsweise) zum Verhalten bei Verkehrskontrollen
  • Diebstahlschutz: ZB I nicht dauerhaft im Fahrzeug belassen. Bei Fahrerwechsel Übergabeprotokoll.
  • Monitoring: Stichproben beim Fahrpersonal durchführen (ob ZB I bei Fahrtantritt tatsächlich im Wagen ist)
  • Dokumentendisziplin ist wichtig: Regelverstöße sanktionieren.

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