Die Stadt Heidelberg hat zum 01. August 2025 verbindliche Mindestbeförderungsentgelte (MBE) für den Mietwagenverkehr innerhalb des Stadtgebiets festgesetzt. Die Allgemeinverfügung (AV) stützt sich auf § 51a PBefG und unterscheidet klar zwischen innerstädtischen Fahrten (Anfangs- und Endpunkt innerhalb der Stadt Heidelberg) und Fahrten mit Abfahr- oder Zieladresse außerhalb der Stadtgrenze, für die diese Regelung nicht gilt. Ziel der Maßnahme ist der im Gesetz normierte „Schutz der Öffentlichen Verkehrsinteressen“, vorliegend der Schutz des zum ÖPNV zählenden Taxi-Gewerbes vor systematischem Preisdumping.
Die Berechnung des Mindestfahrentgelts orientiert sich an den in Heidelberg geltenden Taxentarifen (TaxiEVO). Maßgeblich ist die Summe aus Grundgebühr und Kilometerpreis nach § 3 TaxiEVO, auf die ein pauschaler Aufschlag von 5 % (als Ausgleich für fehlende Wartezeit) angewandt und anschließend ein Abschlag von 7,5 % vorgenommen wird. In der Kombination ergibt dies de facto einen Abschlag von 2,875 % gegenüber dem eigentlichen Taxenfahrpreis — dieser Wert ist in der Verfügung formal verankert. Die jeweilige Entfernungsmessung erfolgt per Wegstreckenzähler oder durch übliche Routenplaner.
Die Stadtverwaltung begründet die Allgemeinverfügung mit einer von Linne & Krause erstellten Marktuntersuchung, die ein stark untertarifliches Niveau der Mietwagenpreise gegenüber Taxientgelten nachweist und eine Marktverzerrung durch Plattformsubventionen — namentlich durch Kooperationen mit Vermittlern wie UBER — konstatiert.
Die Untersuchung nennt eine durchschnittliche Unterbietung um rund 38 % in innerstädtischen Verkehren; real wirke dies aufgrund der Alimentierungen durch die Plattform als faktische Subvention von etwa 7,5 %.

Vor diesem Hintergrund sieht die Verwaltung die Regelung als geeignetes und verhältnismäßiges Mittel zur Wiederherstellung eines „level-playing-field“, also des Wettbewerbs auf Augenhöhe, an.
Die Verfügung enthält aber auch Ausnahmen: Krankenfahrten mit bestehender Entgeltvereinbarung sowie Fahrten, die nicht vollständig innerhalb des Stadtgebiets verlaufen, bleiben unberührt. Verstöße gegen die Allgemeinverfügung können als Ordnungswidrigkeiten nach § 61 PBefG geahndet werden; die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Betreiber von App-basierten Vermittlungen können nach wie vor dynamische Preise oberhalb des Mindestentgelts anbieten. Ein Höchstbeförderungsentgelt, welches aus Sicht des Kunden durchaus wünschenswert wäre, weil es die wucherartige Preisdynamik bei Intensivgeschäft verhindern würde, wurde nicht geregelt.
Die Reaktionen aus der Beförderungsbranche fallen gemischt aus: Vertreter des Taxengewerbes sowie alle Branchenverbände begrüßen die Regelung als dringend notwendiges Signal gegen Dumping, verdrängungsorientierte Preisgestaltung und zur Sicherung des ÖPNV-Segments „Taxenverkehr“. Vertreter der Mietwagen- und Plattformanbieter kritisieren dagegen Eingriffe in die grundgesetzlich geschützte Preisautonomie und verweisen im Übrigen auf rechtlichen und praktischen Klärungsbedarf.
Die Heidelberger Entwicklung wird in anderen Kommunen mit Argusaugen beobachtet. Die rechtliche Klärung der Zulässigkeit von MBE. ist durch Uber und Co bereits angekündigt worden.

Zusammenfassend: Heidelberg wendet als erste deutsche Großstadt das den Kommunen im Rahmen der PBefG-Novelle an die Hand gegebene Tarifgestaltungsinstrument MBE an. Die Regelung ist juristisch auf § 51a PBefG gestützt, technisch und administrativ klar ausgestaltet und war zum 01. August 2025 in Kraft getreten. Die praktische Umsetzung (Überprüfbarkeit, Auswirkung auf den Verkehrsmarkt usw.) sowie die zu erwartenden gerichtlichen Zulässigkeitsüberprüfung werden zeigen, ob das Leuchtturmprojekt „MBE in Heidelberg“ bundesweit Nachahmer finden wird.
Hinweis: Die mittelfränkische Städteachse Nürnberg/Fürth/Erlangen/Schwabach hat einen nahezu gleichen Weg eingeschlagen: auch hier wurde ein Sachverständigengutachten des Hamburger Instituts Linne & Krause beauftragt, welches klären wird, ob zum Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen der Erlass ein Allgemeinverfügung für MBE erforderlich ist. Mit der Fertigstellung des Gutachtens ist im Sommer 2026 zu rechnen.
Zu den Strukturdaten der Stadt Heidelberg:
- 160.000 Einwohner
- Universitätsstadt (35.000 Studierende)
- Tourismus (13,9 Mio Gäste)
- Anzahl Taxi: 162
- Anzahle Mietwagen: insgesamt etwa 160
- Bis Juli 25 ca. 100 Uber, danach nur noch 70, zusätzlich ca. 90 „reguläre“ Mietwagen
- In Heidelberg ist bis jetzt nur Uber aktiv
- Außergewöhnlich: Das Frauen-Nachttaxi, aktiv seit 1992
- Auto-Funktaxi-Vermittlungszentrale Heidelberg eG
- 1. Vorstand: Michael Käflein (Geschäftsführer)
Vorstand Michael Käflein, mit dem wir seit Langem im kollegialen Austausch stehen, wurde von uns zum Thema „4-Wochen Mindestfahrentgelte in Heidelberg – eine erste Einschätzung“ befragt.
Das Interview
Guten Tag Michael, vielen Dank, dass Du Dir Zeit für ein Interview zum Thema Mindestbeförderungsentgelte für Mietwagen nimmst. Die Fragen richten sich an Dich als Fachmann in Sachen Mindestbeförderungsentgelte (MBE) nach § 51 a PBefG und zielen darauf ab, die rechtliche Grundlage, die praktischen Erfahrungen des Heidelberger Taxi-Gewerbes sowie der Kommune zu beleuchten und uns einen Ausblick zu geben.
Schildere uns bitte kurz, wie in Heidelberg die MBE umgesetzt wurden.
Wir haben bereits im Dezember 2021 bei der Verwaltung der Stadt Heidelberg MBE beantragt. Da es aber damals in Heidelberg noch kein Uber gab, blieb der Antrag vorerst liegen. Als 2023 die Plattform Uber in Heidelberg aktiv wurde, suchten wir zunächst wieder den Kontakt zur Verwaltung, die zwar generell für unser Anliegen offen war, aber natürlich auch zurückhaltend reagierte. Zur selben Zeit nahmen wir noch zusätzlich Kontakt zu allen Gemeinderatsfraktionen auf. Wir wurden bei vielen Fraktionen sogar zu Fraktionssitzungen eingeladen, wo wir unser Anliegen vortragen konnten. Das Interesse war generell groß: Jeder schien „das Taxi“ zu kennen, aber die wenigsten hatten eine Ahnung von den gesetzlichen Vorgaben, was „Daseinsvorsorge“ bedeutete. Der Kontakt zu den Fraktionen bewirkte dann, dass der Gemeinderat im Dezember 2023 beschloss, verschiedene Gutachten zur Lage des Gewerbes, aber auch zum Thema MBE zu beauftragen. Dies war ein recht langer Weg, die Uber-Betriebe klagten zunächst erfolglos gegen die Offenlegung Ihrer Daten, was wiederum Zeit kostete. Aber am Ende hatten wir Erfolg. So wurde der MBE aus den Daten der Uber-Betriebe heraus entwickelt und ist unserer Ansicht nach wesentlich gerichtsfester als vergleichbare Allgemeinverfügungen.
Wir waren während des gesamten Prozesses in regem Austausch mit der Verwaltung. Wobei wir in Heidelberg Glück haben: Die Verwaltung und die politischen Spitzen waren stets kooperativ.
Zu den entscheidenden Gesprächen mit der Bürgermeisterin und den Verwaltungsspitzen haben wir unseren Verbandspräsidenten Herwig Kollar herangezogen, der mit einigen juristischen Ratschlägen und Formulierungshilfen sehr hilfreich war.
Nachdem offensichtlich war, dass sowohl Gemeinderat als auch die Verwaltung voll hinter der Einführung des MBE standen, sahen wir keinen Grund öffentlich zu demonstrieren. Ich habe davon abgeraten, weil es der Bevölkerung relativ egal ist, von wem sie gefahren wird („Geiz ist geil!“). Aber wir hätten damit eine Verwaltung bloßgestellt, die im Gegensatz zu den meisten anderen Verwaltungen in Deutschland ihre Aufsichtspflicht ernst nahm. Es wurde sogar extra im Verkehrsbereich eine zusätzliche Kraft eingestellt um die vielen Verstöße gegen die Rückkehrpflicht – wir haben ca. 1.400 (!) dokumentiert – zu bearbeiten.
An dem nicht unkomplizierten Prozess der Einführung der höchst umstrittenen tariflichen Regelung sind viele Stakeholder beteiligt. Wie haben sich die relevanten Verfahrensbeteiligten zur Frage der MBE gestellt?
Politik und Verwaltung waren nach anfänglichem Zögern schnell überzeugt. Uber-Propagandist Christoph Weigler hatte zwar Kontakt zu den Fraktionen im Gemeinderat hergestellt, aber die Argumentation folgte nur der Uber-üblichen Argumentationslinie: Einschränkung der unternehmerischen Freiheit etc.
Als echter „Volltreffer“ erwies sich die sogenannte Mietwagenplattform „wirfahren.de“ von Generalunternehmer Mohnke. Die machte zunächst zwar Eindruck, aber nachdem bekannt geworden war, dass es sich hierbei um keine unabhängige Organisation, sondern um ein 100%iges Uber-Propaganda-Produkt handelte, verkehrte sich das ins Gegenteil. Unser Kommentar gegenüber den Gemeinderäten: „Da sehen Sie mal, was Uber von Ihnen hält, wenn mit so billigen Täuschungen gearbeitet wird.“
Mindestbeförderungsentgelte für Mietwagen sind rechtlich nicht unumstritten, jedenfalls kein Standardverfahren wie beispielsweise eine Tarif-Beantragung. Wie begründet die Stadt Heidelberg die Einführung der MBE:
In Heidelberg hat das Gewerbe ca. 30% an Vermittlungen eingebüßt – mit fortlaufender Tendenz. Uber fährt etwa 35 – 37% unterhalb Taxi-Tarif. Bei diesem Unterschied ist es keine Frage, dass hier ein Verdrängungswettbewerb im Gange ist. Die beauftragten Gutachter Linne & Krause konnten im Endeffekt aufgrund ihrer Datenerhebung belegen, dass Uber jeden Euro Umsatz der Uber-Betriebe mit 50 Cent on top fördert. Ohne diese Subvention könnten die Betriebe nicht legal agieren. Dass diese Subvention wettbewerbsrechtlich fragwürdig ist, steht zunächst mal auf einem anderen Stern. Dazu kommt noch, dass durch vielfache Verstöße gegen die Rückkehrpflicht der Kilometerschnitt „aufgehübscht“ wird. Über andere Verstöße gegen Arbeitszeiten und Mindestlohn können wir derzeit nur spekulieren.
Jedenfalls war das Ergebnis des Linne & Krause Gutachtens so zwingend, dass sich die Stadt genötigt sah, den Empfehlungen des Gutachtens vollumfänglich zu folgen, um den Schutz öffentlicher Verkehrsinteressen zu gewährleisten.
Eine Allgemeinverfügung in Sachen Mindestfahrentgelte ist bislang nur im Landkreis Lörrach bekannt geworden. Andere Umsetzungsverfahren sind bundesweit vorerst gescheitert (Düsseldorf, Leipzig – dort in der Variante einer Verwaltungsrichtlinie), München) oder sind im Umsetzungsprozess, besser gesagt: liegen auf Eis. Veranschauliche uns bitte die Eckpunkte der Heidelberger Variante der MBE.
Der Heidelberger Mindesttarif orientiert sich am Taxitarif; Mietwagen dürfen bis zu 7% günstiger fahren. Die relative Nähe beider Tarife ist logisch, denn beide Gewerbe unterliegen ähnlichen Kostenstrukturen (Auto, Kraftstoff, Versicherungen, Lohnkosten etc.). Das MBE gilt nur im Stadtgebiet Heidelberg. Rabatte und Cash-Back-Aktionen sind untersagt. Die Allgemeinverfügung gilt für alle Mietwagenfahrten im Stadtgebiet.
Was ist der Sachstand heute, vier Wochen nach Rechtskraft der MBE? Bitte schildere uns die Einschätzung der Taxi-Zentrale Heidelberg, die weitere Perspektive und Deine ganz persönliche Sicht der Dinge.
Erwartungsgemäß hält sich Uber nicht an die Verfügung. Die Stadt hat auch den Sofortvollzug ausgesetzt, denn im Falle eines Scheiterns der Stadt, also dem Unterliegen im Gerichtsstreit, kann Uber dann eben keine exorbitanten Schadensersatzforderungen stellen. Das minimiert das Prozessrisiko für die Behörde.
Uber hat Klage angekündigt. Es liegen bereits Einsprüche von 15 Uber-Betrieben vor, was bedeutet, dass 15 Einzelkläger mit zu erwartenden unterschiedlichen Klagevorträgen antreten. Die Stadt hat auf unsere Anregung hin RA Herwig Kollar mit der Vertretung beauftragt. Damit haben wir in dem künftigen Verfahren einen kompetenten Anwalt in Uber Angelegenheiten auf unserer Seite bzw. der Stadt. Dass das Verfahren mittlerweile bundesweite Bedeutung hat, ist nach den Vorgängen in München und Leipzig Tatsache. Wir sind zuversichtlich, dass am Ende der Erfolg stehen wird.
Die Einhaltung der MBE kann dann am Ende wieder durch Einsichtnahme in Daten der Uber-Betriebe erfolgen. Doch das ist erst der zweite Schritt. Zunächst gilt es das Verfahren zu gewinnen.
Eines muss uns klar sein: Einen Salto rückwärts in die alten Verhältnisse wird es nicht mehr geben – auch wenn der MBE irgendwann flächendeckend gelten sollte. Was wir dann erreicht haben: Das uferlose Wachstum von Plattformen ist zunächst gestoppt. Es herrschen wieder faire Wettbewerbsbedingungen.
Aber: Uber-Betriebe wandern einfach ins Umfeld von Großstädten ab und betreiben von da aus ihr Geschäft. Es gilt daher die völlig überforderten Verwaltungen der Landratsämter, die personell noch schlechter ausgestattet sind, mit ins Boot zu holen.
Und: Uber/Bolt werden deswegen nicht verschwinden. Uber trägt ja schon jetzt der Entwicklung Rechnung, indem die Plattform inzwischen auch Taxen vermittelt. Leider auch mit einigem Erfolg. Dass das die Taxizentralen mittelfristig gefährden kann, ist offensichtlich. Doch damit würde in Deutschland die wichtigste unabhängige Vertretung des städtischen Taxigewerbes zum Einsturz kommen.
Auch auf dem Land, das in Bezug auf Uber die „Insel der Glückseligen“ war, steht mit der Uber-Taxivermittlung manches bevor. Und die Zielrichtung ist klar: bundesweit Flächendeckung erzielen. Doch zunächst gilt es das MBE voranzubringen. Und Heidelberg soll das „Leuchtturmprojekt“ sein. Nun, wir nehmen die Herausforderung an.
Lieber Michael, vielen Dank für Deine Zeit und die Beantwortung der „Big-Five“. Der Landesverband Bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmen e.V. wünscht Euch gutes Gelingen und das Glück des Tüchtigen bei dem zu erwartenden Rechtsstreit mit Uber und Co.
Gemeinsam stark – wir stehen solidarisch an der Seite Heidelbergs
Abschließender Hinweis: Unser Landesverband hat der Taxi-Zentrale Heidelberg eG jedwede Unterstützung angeboten. Wir sind der Auffassung, dass in der Frage der MBE das bundesdeutsche Taxi-Gewerben zusammenstehen sollte.
Der Landesverband Bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmen e.V. tut seine Pflicht.
Weiterführende Informationen
- Welt Nachrichtensender (YouTube Video)
- Tagesschau-Artikel Uber (tagesschau.de)
- SWR aktuell Artikel Mindesttarife (swr.de)
Links & Dokumente in diesem Artikel
- Allgemeinverfügung der Stadt Heidelberg (PDF)
- Taxientgeltverordnung TaxiEVO (PDF)
- L&K Gutachten MBE Heidelberg (PDF)
- Das Frauen-Nachttaxi (heidelberg.de)