Handlungsfähigkeit eines Betriebes nach Ausfall der Geschäftsführung.
Ein Fall aus unserer Verbandspraxis:
Tod des Geschäftsführers einer GmbH. Der plötzliche Ausfall der verantwortlichen Person eines Personenbeförderungsunternehmens tangiert unmittelbar die Handlungsfähigkeit des Unternehmens.
Mit teils erheblichen Folgen. Gesetzlich wird die Vertretung einer Gesellschaft grundsätzlich dem Geschäftsführer zugewiesen.
Bei Führungslosigkeit einer GmbH treten die Gesellschafter als Stellvertreter in Erscheinung (§ 35 GmbHG).

Um Betriebsunterbrechungen, rechtliche Risiken und Nachteile in der Außenwirkung zu vermeiden (Stichwort: Reputation), empfehlen wir die Erstellung und das Bereithalten von verbindlichen Notfall- und Vorsorgeunterlagen sowie die Einführung eines sogenannten Business-Continuity-Management. Unter BCM ist ein systematischer betrieblicher Ansatz zu verstehen, der die Handlungsfähigkeit eines Unternehmens in Krisenzeiten – wenigstens temporär – sicherzustellt, indem
- kritische Geschäftsprozesse identifiziert,
- Risiken analysiert und
- Notfallpläne sowie
- die entsprechenden unternehmensbezogenen Lösungen entwickelt werden.
Ziel ist es, den Geschäftsbetrieb des Taxi- und Mietwagenbetriebes bei schwerwiegenden Störungen, z.B. bei schwerer Krankheit oder gar dem Versterben des Geschäftsführers, aufrechtzuerhalten bzw. schnellstmöglich wiederherzustellen zu können. Die Risiken bei einem Ausfall des Entscheiders im Betrieb sind rechtsformunabhängig und betreffen juristische Personen und Einzelfirmen in gleicher Weise.
1. Rechtliche Einordnung
- Vertretungspflicht bei einer GmbH: Grundsätzlich wird eine Gesellschaft durch den oder die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Fällt die Geschäftsführung aus (Führungslosigkeit), vertreten die Gesellschafter die Gesellschaft gegenüber Dritten. Diese Regelung ist im GmbH-Gesetz verankert und bildet die rechtliche Grundlage für jede Notfallplanung.
- Stellvertretungsinstrumente im Handelsverkehr: Für die kurzfristige Aufrechterhaltung des Geschäftsverkehrs stehen handelsrechtliche Instrumente wie Prokura und Handlungsvollmacht (§§ 48 ff., §§ 54 ff. HGB) zur Verfügung: Die konkrete Ausgestaltung regelt das HGB und interne Unternehmensvollmachten.
- Kontinuitätsstandard: ISO 22301 (Business Continuity Management) bietet eine anerkannte Vorgabe, um Prozesse für eine reibungslose Betriebsfortführung, Krisenkommunikation und Wiederanlauf des Geschäftsbetriebes methodisch durchzuführen.
2. Hauptgefahren beim Ausfall der Geschäftsführung
- Störfall: Das betriebliche Know-how und das Wissen sowie die Kompetenz des Chefs gehen verloren.
- Vertragsunterbrechung und Zahlungsstau: Laufende Verträge, Fristen und anderer Handlungsbedarf (z. B. Meldungen an Behörden, Zahlungsverkehr und dergleichen) können unterbrochen oder wenigstens erschwert sein.
- Haftungsrisiken: Fristversäumnisse und unterlassene Pflichtmeldungen (z.B. gegenüber der Steuerbehörde, dem Straßenverkehrsamt, sv.net usw.) bedeuten zusätzliche Haftung für die Gesellschaft und in Einzelfällen auch für die Gesellschafter.
- Informations- und Zugriffsdefizite: Passwort-, Signatur- und Schlüsselzugriffe fehlen: IT-Sperren erschweren Geschäftskontinuität (Beispiel: online-Banking).
- Netzwerk- und Kontaktverluste: Kunden und Geschäftspartner reagieren u.U. schnell auf die Unwägbarkeiten bei der Führungslosigkeit einer Firma. Folge: Kontaktverluste und das Wegbrechen von „Lieferketten“ oder des betrieblichen Netzwerkes sind möglich.
- Rechtliche Vertretungsfragen: Bei mehrköpfiger Geschäftsführung kann die Satzung Gesamtvertretung vorsehen. Dies erschwert unter Umständen die Einzelvertretung, was beispielsweise beim Ausspruch eine Kündigung zur Unwirksamkeit führen kann.
3. Präventive organisatorische Maßnahmen
- Satzungs-/Gesellschafterbeschlüsse prüfen und anpassen: Regelungen zur Vertretungsbefugnis (Einzelvertretung vs. Gesamtvertretung) festlegen. Einberufung von Gesellschafterversammlungen und Notgeschäftsführung klar vorsehen und festschreiben.
- Prokura und Handlungsvollmachten: Mindestens zwei Prokuristen/Bevollmächtigte mit abgestuften Befugnissen ernennen. Dokumente notariell bzw. handelsrechtlich korrekt hinterlegen.
- Nachfolge-/Vertretungsregelungen: Schriftliche Notfall-Regelungen für Ernennung eines Interims-Geschäftsführers durch Gesellschafter oder schnelle Abberufungs- und/oder Bestellprozesse vorsehen.
- Business Continuity Management (BCM): BCM-Richtlinie einführen (Anlehnung ISO 22301), Verantwortlichkeiten, Wiederanlaufzeiten (RTO/RPO) und Übungspläne definieren.
4. Checkliste für den Störfall – was gehört in einen Notfallkoffer?
4. 1. Governance & Rechtliches
- Geregelte Stellvertretung: Gesellschaftsvertrag, Gesellschafterbeschlüsse, aktuelle Gesellschafterliste
- Kopien von Handelsregister-Auszügen und Handelsregister-Vollmachten
- Vollmachten (Prokura, Handlungsvollmachten) mit Ausweiskopie für alle Rechts- und Geschäftsbereiche
- Privatbereich (optional): Generalvollmacht/andere Vollmachen, Testament, Patientenverfügung usw.
4. 2. Konten, Zahlungsverkehr & Lieferverträge
- Übersicht: Bankkonten inkl. Ansprechpartner, Unterschriftsberechtigungen, Zugriffe (Bankvollmachten, online-Banking etc.)
- Liste: relevante Lieferanten, Kunden, Geschäftspartner, andere Kontakte, Netzwerk
4. 3. Mitarbeiter & Betrieb
- Liste Schlüsselpersonen (Name, Funktion, Erreichbarkeit, Vertretung usw.)
- Personalunterlagen zu Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen etc.
4. 4. IT & Zugänge
- Liste: kritische Systeme, Admin-Konten (sichere Hinterlegung), Wiederanlaufpläne, Zugang zu Cloud-Konten und anderen Speichermedien
- Passwörter/Schlüssel in einem verschlüsselten Notfall-Tresor (z. B. Passwortmanager mit Hinterlegungsprozess: „KeePass 2“)
5. Sonstiges
- Versicherungsunterlagen, Steuerunterlagen, laufende Rechtfälle (z.B. Ansprüche, Klagen usw.)
- Notfallkoffer mit physischen Kopien an einem zugriffssicheren Ort verwahren, beispielsweise im Tresor
- Anweisungen für wichtige Projekte, mündliche Vereinbarungen und andere zukunftsrelevante Informationen
- Allgemein: wo liegt was und wer ist für welche Prozesse zuständig
Die Auflistung des Inhalts eines Notfallkoffers ist als Mindestumfang zu verstehen. Betriebsspezifische Ergänzungen sind auf jeden Fall erforderlich. Wir empfehlen die Rücksprache mit Ihrem Steuerberater und/oder eines Anwalts Ihres Vertrauens.
6 . Konkretes Vorgehen im konkreten Störungsfall
- Sofortmaßnahmen (0 – 24 h): Feststellen des Ausfalls. Autorisierung eines Notfall-Ansprechpartners oder -Teams. Absicherung der IT-Zugänge (Account-Sperre und Übergabe der IT-Befugnisse an Nachfolger). Bei GmbH: Information der Gesellschafter.
- Kurzfristig (24 – 72 h): Aktivierung der Prokuristen bzw. der Bevollmächtigten. Sofern nicht möglich: Einberufung der Gesellschafter zur Bestellung einer Interimsführung. Evtl. interne Kommunikation an Schlüsselpartner.
- Mittelfristig (3 – 14 Tage): Stabilisierung des Zahlungsverkehrs. Sicherstellung Lieferketten. Vorbereitung formaler Bestellung/Anmeldung des neuen Geschäftsführers beim Handelsregister.
- Nach der Krise: Lessons learned. Aktualisierung bzw. Ergänzung und Anpassung der Notfallunterlagen

7. Praxisempfehlungen für Entscheider
- Notfallkoffer implementieren und jährlich prüfen. Verschiedene IHK bieten praxiserprobte Vorlagen und PDFs an. Diese Vorlagen reduzieren den Aufwand der Einführung eines Risikomanagements erheblich.
- Vollmachten u.U. mehrfach besetzen und technisch absichern. Prokura an zwei unabhängige Personen vergeben. Kritische Admin-Zugänge in einem sicheren, verschlüsselten Format mit Notfallzugriff hinterlegen.
- BCM institutionalisiert einführen. Selbst für Kleinfirmen lohnt sich ein pragmatisches BCM nach ISO 22301-Prinzipien: Priorisierung kritischer Prozesse, Wiederanlaufziele, regelmäßige Übungen für den „Fall der Fälle“.
8. Fazit
Die Handlungsfähigkeit eines Betriebs nach Ausfall der Geschäftsführung ist rechtlich und operativ häufig eingeschränkt, unter Umständen auch völlig ausgeschlossen. Dieser Worst-case lässt sich aber durch klare Satzungsregelungen, handelsrechtliche Stellvertretungen (z. B. die Prokura-Erteilung), umfassende Notfallunterlagen und ein geregeltes BCM effizient absichern. Entscheidend ist die ausreichende rechtliche Vorsorge (Gesellschaftsverträge, Vollmachten und dergleichen) und die pragmatische operative Absicherung (IT-Zugänge, Zahlungsverkehr, Kommunikationsplan etc.). Die praktische Umsetzung des „Plan-B“ beginnt mit einer fokussierten Bestandsaufnahme (was sind die Folgen des Störfalls?/wer kann was?/wer darf was?) und endet im Idealfall mit einer zielführenden betrieblichen Lösung des Ausfallproblems.
Nicht zu unterschätzen ist ein vorheriger Praxistest. Spielen Sie einmal das Störfall-Szenario komplett durch: was passiert, wenn der Chef ausfällt?
Fazit: Der verantwortungsbewusste Taxi- und Mietwagenunternehmer kümmert sich um das Risikomanagement.
Links & Dokumente in diesem Artikel
- Prokura
https://www.lecturio.de/mkt/jura-magazin/erteilung-prokura-handlungsvollmacht/ - ISO 22301
taxi-bayern.de/download/BCM_Uebersicht.pdf - Haftung
ihk.de/meo/recht-und-steuern/handelsrecht/der-gmbh-geschaeftsfuehrer-2096266? - Nachfolge-/Vertretungsregelungen
firma.de/firmengruendung/gmbh-ohne-geschaeftsfuehrer-wie-geht-es-weiter/ - Notfallkoffer (IHK)
taxi-bayern.de/download/IHK_Nofall-Handbuch_fuer_Unternehmen.pdf - PDFs des Handwerksinstitut
taxi-bayern.de/download/Notfallplan_deutsches_Handwerksinstitut.pdf - Störfall-Szenario
taxi-bayern.de/download/stoerfallvorsorge-und-zukunftssicherung-fuer-das-mittelstaendis-data.pdf
