Corona-Überbrückungshilfen – der Schuss, der nach hinten losgeht

Wer über Wasser gehalten wird, kann trotzdem untergehen.

Aus Mitgliederkreisen wurde bekannt, dass die finale Abwicklung der sogenannten Überbrückungshilfen aktuell sehr problematisch abläuft – mit zum Teil erheblichen finanziellen Auswirkungen für die betroffenen Taxi- und Mietwagenbetriebe.

Sehen Sie bitte hierzu die Meldung des Fachanwalts für Verwaltungsrecht Dennis Hillemann der Kanzlei ADVANT Beiten in Hamburg, der sich freundlicherweise bereit erklärt hat, die Thematik in einer Reihe von News-Meldungen aufzubereiten.

Wir werden in einem etwa 10-tägigen Rhythmus die relevanten Fragen zur Thematik „Überbrückungshilfen“ aufarbeiten.

Für die fachkundige Beratung und Begleitung in Sachen Ü-Hilfen bedanken wir uns ganz herzlich bei Herrn RA Hillemann.

Die Kontaktdaten von Rechtsanwalt Hillemann finden Sie am Ende der Meldung.

Dennis Hillemann (2025)
Dennis Hillemann (2025)

Ein Beitrag von Dennis Hillemann

Überbrückungshilfen: Was Taxi- und Mietwagenunternehmen jetzt beachten müssen

Schlussabrechnungen werden streng geprüft – Bewilligungsstellen nehmen alles unter die Lupe. Die Schlussabrechnungen zu den Corona-Überbrückungshilfen entwickeln sich für viele Unternehmen zur bösen Überraschung. Was während der Pandemie 2020 und 2021 relativ unbürokratisch bewilligt wurde, wird jetzt Punkt für Punkt nachgeprüft. Gerade Taxi- und Mietwagenunternehmen, die in der Pandemie massive Umsatzeinbrüche hinnehmen mussten, sollten sich auf intensive Nachfragen der Bewilligungsstellen einstellen.

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die aktuelle Praxis bei den Schlussabrechnungen und zeigt auf, worauf Unternehmen der Branche besonders achten sollten. Es ist der Beginn einer Reihe von Beiträgen zu dem Thema. Die Beiträge sollen betroffene Unternehmen und ihre Steuerberater informieren und Hinweise zur Vermeidung von Rückforderungen geben.

Ende der „Dunkelverarbeitung“ – Jeder Fall wird individuell geprüft

Was viele Unternehmen nicht wissen: Die Schlussabrechnung ist wie ein neues Antragsverfahren. Während bei der ursprünglichen Bewilligung offenbar teilweise automatisierte Systeme über Anträge entschieden, wird nun jede Schlussabrechnung durch einen Sachbearbeiter individuell geprüft.

Diese Entwicklung bringt allerdings nicht nur Vorteile. Die intensive Einzelfallprüfung bedeutet, dass die Bewilligungsstellen die Angaben in den Schlussabrechnungen äußerst genau unter die Lupe nehmen. Unternehmen müssen mit detaillierten Rückfragen rechnen und sollten alle notwendigen Unterlagen und Nachweise bereithalten.

Zudem führt die manuelle Prüfung zu erheblich längeren Bearbeitungszeiten. Unternehmen sollten mit je nach Bundesland mit sehr langen Bearbeitungszeiten rechnen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die vollständige Abwicklung bis ins Jahr 2027 dauern wird.

Der Totalvorbehalt: Alles wird neu bewertet

Besonders kritisch für viele Unternehmen: Die Bewilligungsstellen verstehen den Vorbehalt der Schlussabrechnungen als „Totalvorbehalt“. Das bedeutet konkret, dass bereits geprüfte und bewilligte Sachverhalte erneut auf den Prüfstand gestellt werden dürfen.

Unternehmen können sich nicht darauf verlassen, dass das, was 2021 bewilligt wurde, auch in der Schlussabrechnung anerkannt wird. Die Bewilligungsstellen ändern in den Schlussabrechnungsbescheiden offen ihre Rechtsansicht gegenüber der ursprünglichen Bewilligung.

In der Praxis zeigt sich diese Vorgehensweise beispielsweise so:

  1. Fixkosten wie hygienebedingte Umbaumaßnahmen werden nachträglich aberkannt, obwohl der Sachverhalt unverändert ist.
  2. Das Thema Unternehmensverbund, besonders im familiären Kontext, wird erneut sehr intensiv geprüft.
  3. Umsatzeinbrüche werden rückwirkend als nicht coronabedingt eingestuft.

Für Taxi- und Mietwagenunternehmen kann dies bedeuten, dass Aufwendungen für Hygienemaßnahmen, Fahrzeuganpassungen oder andere pandemiebedingten Investitionen plötzlich nicht mehr anerkannt werden.

Bayern gehört zu den strengsten Bundesländern

Die Prüfpraxis unterscheidet sich bundesweit erheblich. Einige Bewilligungsstellen zeigen sich besonders streng. Bayern gehört dabei neben Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Hessen zu den Bundesländern mit der härtesten Prüfungspraxis.

Die IHK für München und Oberbayern sowie die L-Bank prüfen nach unseren Erfahrungen besonders intensiv. Unternehmen aus Bayern sollten sich daher auf umfangreiche Nachfragen einstellen und ihre Schlussabrechnungen besonders sorgfältig vorbereiten.

Fristen sind existenziell wichtig

Ein zentraler Punkt, der nicht genug betont werden kann: Die Fristen im Verwaltungsverfahren sind „harte“ Fristen. Wer Nachfragen nicht beantwortet, kann nicht auf Gnade hoffen: Bei Fristversäumnis droht die Rückforderung der gesamten Förderung.

Das unterscheidet das Verwaltungsverfahren grundlegend vom Steuerrecht. Viele Unternehmen und auch ihre Steuerberater sind dies aus der Zusammenarbeit mit der Finanzverwaltung anders gewohnt. Bei den Überbrückungshilfen geht es jedoch nicht um Steuerrecht, sondern um Verwaltungs- und Fördermittelrecht.

Konkret bedeutet dies für Taxi- und Mietwagenunternehmen:

  1. Reagieren Sie sofort auf jede Nachfrage der Bewilligungsstelle.
  2. Beantragen Sie rechtzeitig eine Fristverlängerung, wenn Sie die Unterlagen nicht fristgerecht zusammenstellen können.
  3. Dokumentieren Sie alle Kommunikation mit der Bewilligungsstelle lückenlos.

Was die Bewilligungsstellen besonders kritisch sehen

Aus der Praxis bei den Schlussabrechnungen lassen sich einige Punkte identifizieren, die besonders häufig zu Problemen führen:

Coronabedingter Umsatzeinbruch:

Die Bewilligungsstellen hinterfragen zunehmend, ob Umsatzeinbrüche tatsächlich coronabedingt waren. Gerade für das zweite Quartal 2022, aber auch für frühere Zeiträume, wird die Coronabedingtheit stark angezweifelt.

Für Taxi- und Mietwagenunternehmen ist dies besonders relevant. Die Branche war durch die Pandemie massiv betroffen – sei es durch Reisebeschränkungen, fehlende Geschäftsreisen, geschlossene Hotels oder die allgemeine Zurückhaltung der Menschen bei der Nutzung von Personenbeförderung. Dennoch müssen Unternehmen diesen Zusammenhang lückenlos nachweisen können.

Taxi Überbrückungshilfe

Abweichungen zwischen BWA und Umsatzsteuervoranmeldungen:

Wenn betriebswirtschaftliche Auswertungen und Umsatzsteuervoranmeldungen voneinander abweichen, führt dies zu umfangreichen kritischen Nachfragen. Unternehmen sollten sich darauf einstellen, diese Abweichungen plausibel erklären zu können.

Fehlende oder nicht veröffentlichte Jahresabschlüsse:

Wenn Jahresabschlüsse nicht vorgelegt werden können oder nicht veröffentlicht wurden, obwohl eine Veröffentlichungspflicht bestand, reagieren die Bewilligungsstellen besonders misstrauisch.

Umfassende Erklärungen sind der Schlüssel zum Erfolg

Die Erfahrung aus hunderten Verfahren zeigt: Wer umfassende, nachvollziehbare Erklärungen abgibt und diese plausibel untermauern kann, hat deutlich bessere Erfolgsaussichten.

Unternehmen sollten nicht davon ausgehen, dass die Bewilligungsstelle das Geschäftsmodell der Branche versteht oder über Vorwissen verfügt. Es ist erforderlich, das Geschäftsmodell des Unternehmens detailliert zu erklären und umfassend auf die Nachfragen der Bewilligungsstelle einzugehen.

Viele negative Bescheide ergehen auch deshalb, weil Unternehmen zu knapp, zu verkürzt oder nach dem Motto „Das müssen Sie doch wissen“ vortragen.

Besonderheiten für Taxi- und Mietwagenunternehmen

Für die Branche ergeben sich einige spezifische Herausforderungen:

Nachweis des coronabedingten Umsatzeinbruchs: Taxi- und Mietwagenunternehmen müssen den direkten Zusammenhang zwischen Pandemie und Umsatzrückgang dokumentieren. Hilfreich sind beispielsweise:

  1. Aufzeichnungen über die Entwicklung der Fahrtenzahlen
  2. Dokumentation des Wegfalls von Stammkunden (Hotels, Geschäftsreisende)
  3. Nachweis der Auswirkungen von Lockdowns und Ausgangsbeschränkungen
  4. Belege für gestiegene Hygienekosten und deren Auswirkung auf die Wirtschaftlichkeit

Fixkosten: Gerade bei Hygienemaßnahmen, Fahrzeugumrüstungen oder Schutzausstattungen sollten Unternehmen die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit klar dokumentieren und belegen, dass diese Kosten pandemiebdingt entstanden sind.

Geschäftsaufgabe vor Schlussabrechnung: Ein besonderes Problem, das dem Taxi-Verband vorliegt, ist die Frage der Geschäftsaufgabe vor Erteilung eines Schlussbescheides. Hier sind spezielle rechtliche Fragen zu beachten, auf die in einem späteren Beitrag eingegangen werden wird.

Widerspruch und Klage können sich lohnen

Sollten Sie einen ablehnenden oder rückfordernden Bescheid erhalten, geben Sie nicht vorschnell auf. Widerspruch und Anfechtungsklage haben nach dem Verwaltungsverfahrensrecht aufschiebende Wirkung. Das bedeutet: Bis zur Beendigung des Verfahrens muss keine Rückzahlung erfolgen.

Selbst wenn die Rückforderung nicht vollständig abgewendet werden kann, gewinnen Unternehmen durch ein Widerspruchs- oder Klageverfahren Zeit und finanziellen Spielraum. Eine gerichtliche Prüfung kann zudem dazu führen, dass eine Rückforderung erheblich reduziert wird.

Die Erfahrung aus der Praxis zeigt, dass gut begründete Widersprüche und Klagen durchaus Erfolgsaussichten haben, insbesondere wenn die Bewilligungsstelle ihre Rechtsansicht nachträglich geändert hat oder den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt hat. Am Ende kommt es aber auf den Einzelfall an.

Die Schlussabrechnungen zu den Überbrückungshilfen entwickeln sich zu einer erheblichen Herausforderung für viele Unternehmen. Die intensive Einzelfallprüfung, der Totalvorbehalt und die unterschiedlich strenge Praxis der Bewilligungsstellen erfordern eine sorgfältige Vorbereitung.

Taxi- und Mietwagenunternehmen sollten die Schlussabrechnung nicht auf die leichte Schulter nehmen. In den kommenden Beiträgen werden wir uns vertieft mit spezifischen Fragestellungen befassen, die für die Branche besonders relevant sind – darunter die Problematik der Geschäftsaufgabe vor Schlussabrechnung und die Frage des coronabedingten Umsatzeinbruchs.

Über den Autor

Rechtsanwalt Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner bei ADVANT Beiten in Hamburg. Er berät bundesweit Unternehmen und Steuerberater bei den Überbrückungshilfen und vertritt zahlreiche Verfahren vor Gericht.

Er hat das Netzwerk www.überbrückungshilfe-netzwerk.de gegründet und veröffentlicht regelmäßig Beiträge sowie Podcasts zu den Rechtsthemen der Corona-Überbrückungshilfe, auch in seinem Podcast „Recht im Ohr“.

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Kontakt: Dennis.Hillemann@advant-beiten.com | Tel.: +49 40 688745-132

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