Waschstraße: Alles sauber oder was?

Aktuelles BGH–Urteil: Eigenverantwortung im Fokus.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 22. Mai 2025 in einem Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen VII ZR 157/24 entschieden, dass der Betreiber einer vollautomatischen Waschstraße für den Abriss eines Tankdeckels (plus Folgeschaden) an einem BMW X3 nicht haftet – trotz Reparaturkosten von rund EUR 1.500,00.

Das Urteil sendet ein deutliches Signal in Richtung selbstverantwortlicher Fahrzeugnutzung aus und schafft im Übrigen Klarheit hinsichtlich der Abgrenzung der Pflichten eines Waschstraßenbetreibers und der individuellen Verantwortung eines Fahrzeugführers.

Waschstraße Einfahrt
© LVBTM e.V.

Aus Sicht unseres Fachverbandes, der bekanntermaßen für das bayerischen Taxi- und Mietwagengewerbe auch Verbraucherinteressen vertritt, sind die Leitsätze der Entscheidung von nicht zu unterschätzender praktischer Bedeutung. Sowohl für Anlagenbetreiber als auch für Autofahrer.

1. Was war passiert?

Ein BMW X3-Fahrer befuhr eine vollautomatische Waschstraße. Während des Waschvorg­angs öffnete sich ein serienmäßiger, aber nicht verriegelter Tankdeckel seines Fahrzeugs unter dem Druck der Waschanlage. Der Deckel riss bei der laufenden Fahrzeugwäsche ab, was zu Reparaturkosten von ca. EUR 1.500,00 führte.

Wichtig – Hinweistafel vor Ort: Am Eingang zur Anlage befand sich ein deutlich sichtbares Schild, das u. a. lautete: Tank- und Wartungsklappen müssen sicher verriegelt sein. Das Schild mit den allgemeinen Nutzungsbedingungen wies außerdem – floskelartig – daraufhin, dass die jeweiligen „Fahrzeugherstellerhinweise“ zu beachten sind.

Vor-Gerichte: Während das zuständige Amtsgericht dem Kläger zunächst Recht gab, wies das Landgericht Bonn dessen Klage ab. Der Bundesgerichtshof stimmte mit dem aktuellen Urteil dem LG Bonn zu und hob das erstinstanzliche Urteil auf.

2. Rechtsgrundlagen: Werkvertrag und Schutzpflicht

Nach § 631 BGB begründet ein Reinigungsauftrag in der Waschstraße einen Werkvertrag. Der Betreiber der Anlage ist verpflichtet, das Fahrzeug nicht nur zu reinigen, sondern auch vor Schäden zu schützen.

Dieser Schutz umfasst eine Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB, wonach der Dienstleister den Kunden und sein Eigentum durch zumutbare Maßnahmen schützen muss. Maßgeblich ist in diesem Kontext aber die Verhältnismäßigkeit: Der Betreiber muss nur solche Sicherheitsmaßnahmen umsetzen, die aus Sicht einer vernünftigen, verständigen Person im jeweiligen Umfeld erwartet werden können. Dies bedeutet eine Abwägung des vorhandenen Risikos, eines möglichen Schadens und des jeweiligen Aufwandes.

Aus dem Urteil:

Derjenige, der eine Gefahrenlage – wie durch den Betrieb einer Waschanlage – schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Der Betreiber einer Waschanlage hat dafür Sorge zu tragen, dass die Fahrzeuge seiner Kunden nicht beschädigt werden. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann.

(BGH, Urteil vom 21. November 2024 – VII ZR 39/24 Rn. 20, NJW 2025, 435).

3. Warum der Betreiber der Waschstraße nicht haftet

BGH-Leitsätze im Überblick:

  • Keine Pflichtverletzung: Die Betreiberin hatte ihre Schutzpflicht erfüllt. Die Anlage war technisch einwandfrei. Ein Sachverständigengutachten bestätigte dies. Außerdem war der beschriebene deutliche Warnhinweis vorhanden.
  • Risiko außerhalb des Gefahrenbereichs: Der Schaden resultierte nicht aus der Nutzung oder Fehlfunktion der Anlage, sondern aus der Konstruktionsbesonderheit des Fahrzeugs, nämlich dem nicht verriegelbaren Tankdeckel.
  • Hinweis ausreichend: Ein zusätzlicher Hinweis („Speziell BMW X3: Tankdeckel nicht verriegelbar“) war nicht erforderlich – dies wäre eine unzumutbare Informationslast für den Betreiber der Waschstraße, da Fahrzeuge und Technik ständig wechseln und ein Sonderwissen nicht vorausgesetzt werden kann.
  • Beweislast beim Kläger: Der Fahrzeughalter muss darlegen und beweisen, dass der Betreiber seine Pflichten verletzt hat. Ohne positive Kenntnis des Waschstraßenunternehmers vom Umstand des (un)verriegelbaren Tankdeckels, reicht ein allgemeiner Hinweis aus.

Diese Argumente machen deutlich, worin die rechtliche Abgrenzung besteht: Zwischen dem, was dem Waschstraßen-Unternehmer zugemutet werden kann (nämlich ein allgemeiner Warnhinweis), und dem, was er tatsächlich nicht wissen oder nicht leisten muss:

Spezial- oder Individualinformationen zu jedem Fahrzeughersteller bzw. zu jeder Fahrzeugbaureihe. Auch besondere Warnschilder für jedes Serienmodell sind aus Sicht des Betreibers einer Waschstraße nicht geschuldet.

Waschstraße Hinweis
© LVBTM e.V.

4. Abgrenzung zum sogenannten „Heckspoiler-Fall“

Die vorliegende BGH-Entscheidung nimmt ausdrücklich Bezug auf sein 2024er-Urteil zur Haftung bei Abriss eines serienmäßigen Heckspoilers in einer Waschstraße. Geschäftszeichen: Az. VII ZR 39/24 vom 21. November 2024 (PDF Download).

Entscheidender Unterschied:

Heckspoiler: Dieser war Teil der serienmäßigen, außen angebrachten Fahrzeugausstattung. Der Autofahrer durfte daher darauf vertrauen, dass sein Wagen unbeschädigt durch die Anlage fährt. Der Betreiber der Waschstraße musste für den entstanden Schaden haften.

Tankdeckel: Der vorliegende Schaden resultierte aus der technisch-typischen Ausstattung (fehlende Verriegelung). Hier lag das Risiko beim Fahrzeughalter, da die Herstellernorm diese spezielle Konstruktion vorsah. Entsprechend haftete der Betreiber nicht.

5. Bedeutung für Betreiber und Kunden

Für Anlagenbetreiber:

  • Das Urteil stärkt die Rechtssicherheit. Ein eindeutiger und gut sichtbarer Warnhinweis, der auf technische Risikofragen (z. B. Tank- und Wartungsklappen) sowie auf die Herstellerhinweise insgesamt verweist, genügt grundsätzlich.
  • Spezialwissen über einzelne Bauarten ist nicht erforderlich – eine große Erleichterung im operativen Betrieb.

Für Fahrzeughalter:

  • Pflicht zur eigentlichen Prüfung vor der Einfahrt: Wurde der Hinweis über Tank- und Wartungsklappen beachtet? Ist der Tankdeckel tatsächlich verriegelt?
  • Im Zweifel: Anlage nicht nutzen, um Schäden zu vermeiden. Eigenverantwortung ist hier gefragt.
  • Im Schadensfall: Beweislast liegt beim Fahrzeughalter, um nachzuweisen, dass der Betreiber seine Hinweispflicht verletzt hat.
Waschstraße Programm
© LVBTM e.V.

6. Unsere Meinung

Als Verkehrsverband sind wir der Ansicht, dass das Urteil eine vernünftige Balance zwischen Verbraucherschutz und der unternehmerischen Zumutbarkeit trifft. Es stellt erstmals klar:

  • Verantwortung dort, wo sie liegt: Der Betreiber muss Risiken erkennen und entsprechend davor warnen (z.B. durch ein Hinweisschild), aber keine unendliche Detailkenntnis über verschiedene Fahrzeugmodelle besitzen.
  • Stärkung der Eigenverantwortung: Fahrzeughalter sind angehalten, vorhandene Hinweise verantwortungsbewusst zu nutzen – das schützt alle Beteiligten.
  • Vermeidung von Fehlanreizen: Wäre die Waschstraßenbetreiber vollständig haftungsbelastet, würde dies in der Folge zu übertriebener Vorsicht, Informationsflut und wirtschaftlichen Risiken im Betrieb führen.
  • Das Urteil bietet aus unserer Sicht eine klare Orientierung und vermeidet überzogene Beweislastverschiebungen.

7. Empfehlungen unseres Verbandes

An Anlagenbetreiber:

  • Transparente Information des Verbrauchers. Überprüfen Sie ihre Hinweisschilder: Ist das jeweilige Schild gut sichtbar angebracht? Ist die Information klar, eindeutig und gut lesbar?
  • Schulung von Mitarbeitenden in Bezug auf den ordnungsgemäßen Betrieb der Waschstraße und hinsichtlich etwaiger Herstellerangaben.
  • Protokollieren Sie regelmäßige die Kontrollen und Funktionsprüfungen der Anlage (zur Dokumentation der Funktionalität und der Betriebssicherheit).

An Taxi- und Mietwagenunternehmer:

  • Vor der Einfahrt: Sichtprüfung – insbesondere Tankdeckel, Wartungsklappen und Anbauteile kontrollieren.
  • „Rütteltest“: Sind alle Anbauteile am Fahrzeug abrisssicher befestigt? Antenne abschrauben oder einfahren, Taxi-Schild demontieren, Außenspiegel einklappen.
  • Im Schadensfall: Fotos der Schadenssituation machen. (Hinweisschilder, Anlageninformationen, Fahrzeugschaden usw.). Tipp: Video einer Fahrzeugwäsche machen.
  • Vorsicht: Bei Fahrzeugen mit Besonderheiten (z. B. Spezialdeckel bei e-Fahrzeugen, die auf Berührung öffnen). Auf SB-Waschboxen ausweichen.
  • E-Fahrzeuge: Waschstraßenmodus einschalten.

8. Fazit

Das Urteil des BGH (Az. VII ZR 157/24) stellt rechtlich und praktisch klar:

  • Betreiber von Autowaschanlagen haften nur bei schuldhaftem Handeln – insbesondere bei defekter Technik oder unzureichenden Hinweisen oder überhaupt fehlenden Informationen.
  • Ein allgemeiner Warnhinweis ist rechtlich ausreichend – keine Pflicht zu spezifischen Fahrzeuginformationen.
  • Verbraucher (also Taxi- und Mietwagenunternehmer) sind zur Eigenverantwortung aufgefordert, weil Sie Vertragspartner im Werkvertrag sind und die Beweislast für eine Pflichtverletzung des Waschstraßenbetreibers tragen.

Wie der Fahrzeughersteller BMW auf das vorliegende BGH-Urteil reagiert (die Waschstraßenbeschädigung kann sich bei identischer Sachlage jederzeit wiederholen), ist uns noch nicht bekannt.

Links & Dokumente in diesem Artikel