Think Tank 2025 des TMV | Bamberg am 23. und 24. Oktober

Von Berlin nach Bamberg: Neue Impulse für Taxi- und Mietwagengewerbe.

Special Guest: Tino Schopf (SPD, verkehrspolitischer Sprecher Berlin) – Referent zu Mindestbeförderungsentgelt, Berliner Mietwagensumpf und der Kampf gegen die Windmühlen der Verwaltung

Wir freuen uns sehr, den Berliner Verkehrspolitiker Tino Schopf zu unserem Think Tank ankündigen zu dürfen.

Er hat sich bundesweit als Befürworter harter Kontrollen gegen illegal fahrende Mietwagen und als Anwalt für die Belange des Taxigewerbes profiliert und wurde jüngst auch als „Taxi-Botschafter“ des TMV gewürdigt.

Foto Schopf

Er wird über die aktuellen Herausforderungen für Taxi und Mietwagen (Gewerbekontrollen, Mindestentgelte, Beantragungswelle von Taxen in Berlin usw.) sprechen und mit den Gästen und Teilnehmern unseres Think Tanks in den direkten Austausch gehen und die nächsten politischen Schritte diskutieren.


Tino Schopf wurde 1974 in der Prignitz geboren.

Er absolvierte bei der Deutschen Bahn eine Ausbildung zum Verkehrskaufmann und trat 1999 in die SPD ein. 2016 und 2021 gewann er bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus das Direktmandat in seinem Wahlkreis in Pankow und wurde Ende 2021 zum Staatssekretär für Energie und Betriebe berufen.

Nach der Wiederholungswahl 2023, bei der er erneut das Direktmandat holte, setzte er seine Tätigkeit als Abgeordneter fort und wurde von seiner Fraktion ein weiteres Mal zum Sprecher für Mobilität und Verkehr ernannt.

Tino Schopf
Tino Schopf

Sodom und Gomorra: Organisierte Kriminalität auf Berliner Straßen:         
Wie das App-Mietwagengewerbe unser Land prellt und seine Fahrgäste in Gefahr bringt

Seit Anfang 2024 spricht auch das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) als zuständige Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde von „organisierter Kriminalität“ im Berliner Mietwagengewerbe. Nach einem Datenabgleich zwischen der Genehmigungsbehörde LABO und den App-Vermittlungsplattformen wurden Ende des letzten Jahres 1.661 (!) illegale Mietwagen aus dem Verkehr gezogen. Inzwischen sind es viele mehr.

Als verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion hatte sich Tino Schopf lange für diesen Datenaustausch und -abgleich stark gemacht. In der Folge haben die Vermittlungsplattformen eine Rahmenvereinbarung zur besseren Zusammenarbeit mit dem LABO geschlossen. Das Papier musste mehrfach nachgebessert werden. Es wurde u.a. die Datenübermittlung an das LABO mit Stichtag 01. April 2024 vereinbart und diese Zeit nutzten die fraglichen Vermittlungsplattformen, um ihren zweifelhaften Mietwagenunternehmen eine Exit-Strategie zu ermöglichen. Exit-Strategie im Sinne von Vergrämung, also die Abwanderung der Mietwagen in die umliegenden Landkreise.

Wer sich in Berlin für eine Fahrt mit einem app-vermittelten Mietwagen entscheidet, zahlt häufig deutlich weniger als für ein Taxi. Aber wirtschaftlich-legal lässt sich das Geschäft für die ausführenden Mietwagenunternehmen mit solchen Dumpingpreisen nicht betreiben, jedenfalls nicht auf Dauer und auch ohne Subventionierung nicht. Wie auch: die für die Plattformfirmen tätigen Unternehmen zahlen bis zu 30 % des Fahrpreises als Pauschale an die App-Vermittler Uber und Bolt. Die logische Folge ist: Minijobber (Status: geringfügig beschäftigte Fahrerinnen und Fahrer) arbeiten Vollzeit im Mietwagengewerbe, beziehen aber als sogenannte „Aufstocker“ häufig zusätzliche staatliche Leistungen.

Ein klassische Lohnmodell des Berliner Sozialbetrugs ist übrigens das „3 mal ⅓“. Will heißen: 33% realer Lohn, 33% bar auf die Hand, 33% Transferleistung des Staates.

Mit anderen Worten: Das Geschäftsmodell beruht auf Ausbeutung. Ist ein Mietwagen – wie häufig vor der Bestandsbereinigung – ohne Genehmigung des LABO unterwegs, sind die Fahrgäste bei einem Verkehrsunfall nicht oder nicht ausreichend versichert. Ob das gebuchte Fahrzeug legal oder illegal unterwegs ist, lässt sich für die Fahrgäste nicht ohne Weiteres feststellen. Dass ungenehmigte Personenbeförderung überhaupt stattfindet, liegt unter anderem daran, dass das LABO personell nicht ausreichend aufgestellt ist, fachlich an seine Grenzen stößt und die rechtlichen Voraussetzungen durchaus schwierig umzusetzen sind.

Tino Schopf betont immer wieder, dass eines der zentralen Kriterien im Genehmigungsverfahren des LABO die Prüfung der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens sein müsse. Gleichwohl: Das Geschäft des plattformvermittelten Mietwagenverkehrs ist langfristig legal nicht wirtschaftlich zu betreiben – das bestätigen auch der Geschäftsführer von Freenow, Alexander Mönch, sowie das Hauptzollamt der Bundeshauptstadt im Rahmen einer Anhörung im Berliner Verkehrsausschuss in diesem Februar 2024, wir berichteten. Bedauerlicherweise wurden inzwischen auch gravierende Mängel bei der Antragsbearbeitung für die 49er-Genehmigungen des LABOs gerichtlich festgestellt.

Think Tank Symbolgrafik

In der ohnehin angespannten Situation zeichnete sich ein zusätzlicher Trend ab: Auch die 14 Landkreise und vier kreisfreien Städte im Bundesland Brandenburg erteilen Konzessionen für das Mietwagengewerbe. Nachdem die Zügel in Berlin straffer gezogen wurden, war dort, wo sich die Behörden bisher vornehmlich mit Genehmigungen für Taxis und Krankenfahrten beschäftigen, eine Verlagerung Berliner Mietwagenunternehmen ins Umland zu verzeichnen. Eine Entwicklung, die wir in Bayern nur allzugut kennen. Auch wir können ein Lied davon singen, welche Heerscharen von Mietwagen tagtäglich taxi-ähnlichen Verkehr in der Landeshauptstadt München anbieten und ausüben, obwohl die Rückkehrpflicht zum Betriebssitz nach EBE, DAH, AIC und in andere Landkreise, dies eindeutig untersagt.

Zurück zu Berlin: Seit dem 1. April 2024 ist bei Neuanmeldungen zwar ein Abgleich der Genehmigungsdaten mit dem LABO (und umgekehrt) vereinbart, jedoch führt die Verlagerung nach Brandenburg faktisch zu einer Zersplitterung und Verteilung der Zuständigkeiten auf die Aufsichts- und Genehmigungsbehörden in den verschiedenen Landkreisen. Dass dies zu einer Optimierung in Bezug auf die Genehmigungsverfahren führt, daran hat Tino Schopf aufgrund der Erfahrungen in Berlin berechtigte Zweifel.

Der Verkehrsexperte hatet sich im LABO die Akten zu Genehmigungsverfahren von rund 40 Unternehmen angesehen und stieß dabei auf Ungereimtheiten und Mängel in der Antragsbearbeitung. Aus seiner sachverständigen Sicht wären alle in Berlin bestehenden Konzessionen zu hinterfragen und erneut auf den Prüfstand zu stellen.

Auch die Berichterstattung nahm sich vermehrt des Themas an: Im Juli berichtete der rbb und andere Medien über ein groß angelegtes System von „Firmenbestattungen“ im Taxi- und Mietwagengewerbe in Berlin, welches mutmaßlich in großem Stil der Steuerhinterziehung und dem Sozialbetrug dienen soll. Im geschilderten Fall deutet alles auf ein aktives kriminelles System und Netzwerk hin, bei dem mehr als 60 (!) Taxi- und Mietwagenunternehmen mit rund 1.300 Fahrzeugen involviert sind. Wir sprachen eingangs bereits von Sodom und Gomorra.

Die Unternehmen wurden mit einer begrenzten Lebensdauer (besser: Halbwertszeit) von zwei bis drei Jahren gegründet, mutmaßlich mit dem Ziel, mithilfe dieses Systems Profit zu machen, Steuern zu hinterziehen und damit den Staat sowie die Steuer- und Beitragszahler zu schädigen. Nach einer bestimmten kurzen Zeit wurden die Firmen ins Ausland verkauft. Hintergrund: Finanzämter prüfen neu gegründete Firmen in der Regel erst zum Ende des zweiten Geschäftsjahres. Befinden sich die Unternehmen bereits im Ausland, haben die Behörden in der Regel keine Handhabe und insbesondere keinen Zugriff mehr. So einfach geht das. Das System hat inzwischen auch einen Namen: 20-Monats-GmbH.

Für Tino Schopf ein Fall, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat: Er stellte nach Bekanntwerden dieser Vorgänge Strafanzeige wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung sowie Schwarzarbeit und wegen der Straftatbestände im Kontext systematischer Firmenbestattungen (in mehr als 50 Fällen).

Schopf unterstreicht auch in diesem Fall, dass unter anderem die inhaltlichen und fachlichen Defizite des LABO ursächlich dafür sind, dass sich in Berlin ein solch krimineller Sumpf entwickeln konnte. „Bei der Behörde ist man bei der Konzessionsvergabe sehr freigiebig gewesen und hat es mit den festgeschriebenen Standards sowie mit erforderlichen Kontrollen nicht so genau genommen.“

Die jüngste Berichterstattung des Tagesspiegel zeigt einmal mehr, dass die Rahmenvereinbarung des LABO mit den Vermittlungsplattformen wie Uber, Bolt, und Bliq in der Praxis nicht das Papier wert ist, auf dem sie verfasst wurde. Die aktuellen Ereignisse deuten darauf hin, dass der Flickenteppich an Verwaltungsmaßnahmen bei Weitem nicht dazu führt, dass kriminelle Unternehmen vom Geschäft der Personenbeförderung ausgeschlossen werden.

Unternehmen mit widerrufenen Konzessionen führen weiterhin Personenbeförderung durch – und Bolt vermittelt entgegen allen Beteuerungen – weiter Fahrten an gesperrte Unternehmen. Das ist nicht nur in höchstem Maße fahrlässig, sondern auch von Seiten der Vermittlungsplattform ganz klar ein kriminelles Verhalten.

Es ist deutlich geworden, dass den Versprechen der Vermittlungsplattformen kaum Glauben geschenkt werden kann. Die beschriebene Rahmenvereinbarung wurde unterwandert und ignoriert – auf dem Rücken der Fahrgäste und der Fahrerinnen und Fahrer und zum Nachteil der Berliner Steuer- und Beitragszahler. Und auch zu Lasten der ehrlich arbeitenden Berliner Taxi-Unternehmen.

Inzwischen haben die Unternehmen, deren illegale Mietwagen aus dem Verkehr gezogen wurden, nachgelegt und beantragen in einer nie dagewesenen Anzahl Genehmigungen nach § 47 PBefG, also Taxi-Konzessionen. Die bisherigen Mietwagen-Corolla-Flotten bekommen – kurzerhand – eine hellelfenbein-Folierung und die erforderliche Taxi-Ausstattung. Das Spiel der Illegalität beginnt von vorne. Nur die Verkehrsart ändert sich, von Mietwagen hin zum Taxi. Auch ein neuer Akteur – aber alter bayerischer Bekannter – ist am Berliner Taxi-Markt aktiv: Die „Mars“-Gruppe, die wir bereits aus Nürnberg und Erlangen (und anderswo) als Bolt-Firma kennen. Der durch diese Firmengruppe angebotene Verkehr hat wiederholt zu Beanstandungen geführt. Dem Landesverband Bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmen ist im Übrigen bekannt, dass im Zusammenhang mit dem Verkehr dieser Firmengruppe mindestens in zwei Fällen Strafanzeige erstattet wurde, darunter auch gegen eine Kfz.-Prüforganisation. Ausgang ungewiss.

Wieder zurück nach Berlin:

Nach unseren Erkenntnissen hat das LABO die Situation in der Bundeshauptstadt nach wie vor nicht im Griff.

Der Berliner Senat muss endlich zielführende Maßnahmen ergreifen und umgehend Konsequenzen ziehen:

Die Kontrollen ausweiten und alle bisher erteilten Genehmigungen im Mietwagenbereich (und neu: auch im Taxi-Bereich) auf den Prüfstand stellen. Darüber hinaus ist es angezeigt, zu prüfen, welche rechtliche Schritte gegen illegal agierende Vermittlungsplattformen eingeleitet werden können.

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Sie sehen, Berlin und Sodom und Gomorra sind Synonyme. Mehr erfahren Sie in der aktuellen Stunde mit Tino Schopf MdA beim Think Tank des Taxi- und Mietwagenverbandes Deutschland e.V. am 23. und 24. Oktober.

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