Einigkeit macht stark | Sondervereinbarungen: DAK knickt ein

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LV Direkt News – April 2025 – CL

Der Fachverband Pkw-Verkehr Hessen e.V. (FPH) zeigt uns den Weg auf. Nach einer beispielhaften Solidarisierungswelle der hessischen Taxi- und Mietwagenunternehmen im Rahmen einer „IG Hessen“ konnten im März 2025 angemessene Beförderungsentgelte gegenüber der DAK durchgesetzt werden.

So sind beispielsweise bei Krankenfahrten innerhalb des Pflichtfahrbereiches die Beförderungsentgelte des jeweiligen Taxi-Tarifes (!) anzuwenden.

Der Zusammenhalt von 300 hessischen Unternehmen macht`s möglich.

Auch wir waren solidarisch: Der Landesverband Bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmen hatte bereits Anfang des Jahres dem Sprecher der IG Hessen, dem bekannten Podcastbetreiber Jens Marggraf („Der Taxi Podcast für mehr Umsatz & glückliche MitarbeiterInnen“), im Rahmen mehrerer Kontakte die vollumfängliche Unterstützung des bayerischen Gewerbes zugesagt.

Taxi To Go - News DAK

Die Taxi-Presse berichtete mehrfach über die erfreulichen Vorgänge. Herr Marggraf hat inzwischen auf unsere Anfrage reagiert und uns eine Stellungnahme zu dem Vorzeigeprojekt IG Hessen zukommen lassen.

Kurzer Exkurs

Das Sozialgesetzbuch besteht insgesamt aus 12 eigenständigen Büchern. Im SGB V (römische Nummerierung) ist der Rechtsbereich der Krankenversicherung abschließend geregelt, darunter auch der Themenkomplex Krankenfahrten. Rechtsvorschriften für Sondervereinbarungen finden sich neben dem SGB V auch im PBefG. Zwei Vorschriften sind einschlägig. Zunächst ist in § 133 Abs. 1 SGB V (= „Versorgung mit Krankentransportleistungen“) vorgesehen, dass die Krankenkassen zur flächendeckenden Versorgung ihrer Mitglieder Verträge mit „geeigneten Unternehmen“ abschließen. Die diesbezüglichen Vereinbarungen haben sich an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten (= Taxi- und Mietwagenunternehmen) auszurichten. Dabei ist aus Sicht der Krankenkasse das Beitragsstabilitätsgebot des § 71 SGB V, eine Art Wirtschaftlichkeitsverpflichtung, anzuwenden.

Im Personenbeförderungsgesetz findet sich in § 39 PBefG eine – wenigstens partiell – gegenläufige Vergütungsvorschrift. Während das SGB V die Wirtschaftlichkeit der Krankenkassen fokussiert, stellt das PBefG auf die sogenannte „Auskömmlichkeit“ eines Taxi-Tarifes ab. Das OVG Schleswig-Holstein stellt dazu lapidar fest: „… Die Auskömmlichkeit der Tarife gewährleistet die Leistungswilligkeit und Leistungsfähigkeit der Taxenunternehmen und schützt diese faktisch vor ruinösen Entgeltfestsetzungen…“ (OVG-Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.Juli 2009 – 4 LB 3/08, gleichlautend: BVerwG Beschluss vom 16.02.2010 – 3 B 76.09).

Inwieweit ein Preisabschlag, und ggf. in welcher Höhe, von den behördlich festgesetzten Entgelten der Taxi-Tarifordnungen gerechtfertigt ist, unterliegt den individuellen Gegebenheiten vor Ort und ist jedenfalls pauschal nicht bestimmbar. Grundsätzlich ist eine Tarifunterschreitung der Beförderungsentgelte nach § 51 PBefG zulässig, allerdings nur, solange die Ordnung des Verkehrsmarktes nicht gestört ist (dort noch weitere ausschließende Voraussetzungen).

Situation in Bayern

Aktuell ist es schwierig, landesweit Verträge nach § 133 SGB V auf den Weg zu bekommen. Viele der Kostenträgermonopolisten sind nicht bereit, auskömmliche Beförderungsentgelte auf Höhe des Taxi-Tarifes zu akzeptieren. Der Taxi-Tarif ist die definierte Untergrenze, unterhalb der wir als Verkehrsverband nicht bereit sind, Sondervereinbarungen im Sinne des § 51 PBefG abzuschließen. Im Interesse unserer Mitglieder.

Warum? Der jeweilige Taxi-Tarif ist betriebskalkulatorisch gesehen ein Mindestfahrpreis, der sich aus den Betriebskosten zuzüglich eines angemessenen Unternehmensgewinns zusammensetzt. Dieser liegt üblicherweise bei etwa 10 bis 15%. Rechtsgrundlage sind §§ 39 Abs. 2 i.V.m. 51 Abs. 3 PBefG. Abschläge hiervon sind schlicht und ergreifend Dumpingpreise, die wir – im Sinne der sogenannten „Auskömmlichkeit“ – nicht akzeptieren können und aufgrund des Prinzips der kaufmännischen Vorsicht auch nicht akzeptieren werden.

Bei der genannten Betriebskostenkalkulation gilt: bitte keine Milchmädchenrechnung!

Es sind alle Betriebskosten eines Taxi- und Mietwagenunternehmens zu erfassen (Fahrzeug, Energie, Personal, Versicherungen, Kapitalbeschaffung, Gemeinkosten und Vieles mehr, darunter auch die Bildung von Rücklagen, beispielsweise für die in § 1 a PBefG genannten Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele). Neben dieser betriebskalkulatorischen Begründung und den Ausführungen zum SGB V sind untertarifliche Abschlüsse auch in anderem Kontext nicht unkritisch:

  • Negativ-Preisspirale: den Abschluss von untertariflichen Rahmenvereinbarungen nutzen andere Key-Accounts bzw. auch Bestandskunden für die eigenen Preisverhandlungen. Es entsteht im schlechtesten Fall eine „Rabattschlacht“ von Beförderungsentgelten unterhalb der Taxi-Tarifordnung.
  • Aushöhlung des Taxi-Tarifes: durch verschiedene/unterschiedliche Großkundenverträge entsteht ein Flickenteppich von untertariflichen Rahmenvereinbarungen. Der Taxi-Tarif, der als behördlich verordneter Richtwert enorme deklaratorische Bedeutung hat, wird substanzentleert und tendiert zur Irrelevanz.
  • Killerargument bei Tarifanpassungen: warum sollte ein Taxi-Tarif erhöht werden, wenn der Leistungserbringer (= das betroffene Taxi-Gewerbe) bei Sondervereinbarungen bereit ist, untertarifliche Entgelte zu akzeptieren? Rahmenverträge unterhalb der gültigen TTO sind insoweit ein klassisches Eigentor bei Tarifanpassungen. Dass bei einer Erhöhung des Mindestlohnes auf EUR 15,00, welche aufgrund des politischen Druckes (siehe Koalitionsvertrag Zeile 551), mehr oder weniger in 2026 zu erwarten ist, eine bayernweite Tarifanpassungswelle im Raum steht, hatten wir an anderer Stelle bereits angekündigt.
  • Fehlende Wartezeit: im urbanen Taxi-Verkehr ist der Anteil der sogenannten „Wartezeit“ mit etwa 10% anzusetzen, welche sich üblicherweise in eine verkehrs- und fahrgastbedingte Wartezeit unterscheidet. Die Kostenträgermonopolisten des SGB V arbeiten in der Regel ausschließlich mit Kilometerpauschalen und bei darüberhinausgehenden Fahrtstrecken mit entsprechenden Kilometerpreisen. Die Bezahlung der tariflichen Wartezeit fällt komplett unter den Tisch. Nur am Rande erwähnen wir, dass gerade im Sozialbeförderungsbereich mit einer überobligatorischen Wartezeit zu rechnen ist. Weshalb das tarifliche Entgeltelement „Zeit“ bei den Sondervereinbarungen nach § 51 PBefG in toto entfallen soll, erschließt sich uns sachlogisch nicht. Zeit ist Mindestlohn und kostet Geld.
  • Inkasso-Arbeiten: Krankenkassen sind nach § 133 SGB V zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Die Beförderungsentgelte haben sich an den preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten. So weit so gut. Dieser Vorschrift ist allerdings nicht zu entnehmen, dass der Versorger – neben der Hauptleistung Krankenfahrt – auch andere Leistungen zu erbringen hat. Insbesondere keine Back-Office-Leistungen im Bereich der Rechnungserstellung und des Belegwesens. Derartige pro-bono-Zugaben der Taxi- und Mietwagenunternehmen sind unter allen Umständen abzulehnen. Den Papierkram muss AOK und Co. schon selbst machen! Uns sind mittelgroße Taxi-Zentralen bekannt, die über Monate teils sechsstellige (!) Außenstände im Bereich der Sozialbeförderungen haben. Ein untragbarer Zustand, insbesondere dann, wenn man sich die Schätzungsexzesse der Krankenkassen bei nicht rechtzeitiger Meldung der Beitragsnachweise vor Augen hält.  
Koalitionsvertrag Bundesregierung 2025 Zeile 551
Koalitionsvertrag Bundesregierung 2025

Bei unseren Verhandlungen mit Krankenkassen und anderen Kostenträgern hat es sich als sehr nachteilig erwiesen, wenn einzelne Taxi- und Mietwagenunternehmen eigene Sondervereinbarungen abschließen, die teils weit unterhalb der Auskömmlichkeitsschwelle liegen.

Ein angemessenes Beförderungsentgelt ist in diesen Fällen nicht mehr durchsetzbar.

Aktuell läuft ein Verwaltungsgerichtsrechtstreit eines Mitgliedes unseres Landesverbandes mit dem Freistaat Bayern, bei dem es im Kern darum geht, dass die in einem südbayerischen Landkreis abgeschlossenen DAK-Verträge rechtsunwirksam sind. Hierzu werden wir noch gesondert berichten.

Hinweis: Hinsichtlich des Abrechnungsaufwandes bei Krankenfahrten konnte der Landesverband Bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmen e.V. einen leistungsstarken Inkasso-Partner gewinnen. Mit dem PTAS können Sie Ihre Belege ressourcenschonend, professionell und insbesondere auch kostengünstig abrechnen.

Der Bayern-Deal startet am 01. Juli 2025.

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