HVO – saubere Leistung

HVO 100 – Status, Streitfragen und Bedeutung für das Taxigewerbe

Mit der Zulassung von paraffinischen Dieselkraftstoffen am deutschen Markt hat sich seit 2024 eine neue Option für das – nach wie vor – Diesel-geprägte Personenbeförderungsgewerbe eröffnet.

Der Energieträger HVO 100 verspricht erhebliche CO2-Minderungspotentiale.

Zu berücksichtigen sind allerdings die jeweilige Herstellerfreigabe und mögliche technische und operative Risiken.

HVO 100 Taxi Tank

1. Was genau ist HVO 100?

HVO 100 (Hydrotreated Vegetable Oil) ist ein paraffinischer Diesel-Ersatz, der durch Hydrierung (sogenanntes „Hydrocracking“) von pflanzlichen Ölen oder tierischen Fetten hergestellt wird. Er kann als reiner Kraftstoff (100 % HVO) anstelle von fossilem Diesel verwendet werden und erfüllt die paraffinischen Kraftstoffanforderungen nach EN 15940. Diese DIN EN bezeichnet eine Norm für paraffinischen Dieselkraftstoff (oft als XTL oder HVO bezeichnet), der nicht aus Erdöl, sondern aus Biomasse, Abfallstoffen oder synthetischen Verfahren gewonnen wird.

2. Regulatorische Situation und Markteinführung

Zum rechtlichen Status: HVO 100 ist für den deutschen Markt freigegeben und zugelassen: Änderungen der 10. BImSchV/Verordnungen und entsprechende Veröffentlichungen der zuständigen Ministerien ermöglichen seit Mai 2024 den freien Verkauf paraffinischer xTL-Dieselkraftstoffe in Reinform. Die 10. BImSchV (Verordnung über die Beschaffenheit und die Auszeichnung der Qualitäten von Kraft- und Brennstoffen) regelt die Qualität und Kennzeichnung von Kraftstoffen wie Benzin, Diesel, Heizöl, Erdgas und Biogas. Die Verordnung legt Anforderungen fest, um die Qualität der Energie sicherzustellen und die Einhaltung europäischer Vorgaben, wie der Richtlinie zur Kraftstoffqualität, zu gewährleisten. Die Verordnung enthält auch Regeln zur Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen mit den geeigneten Kraftstoffqualitäten.

Bundesdeutsche Ministerien heben nicht ohne Grund das hohe Minderungspotenzial von HVO 100 in Bezug auf die Treibhausgas-Bilanz hervor, insbesondere das Bundesverkehrsministerium benennt ein CO2Reduktionspotenzial von bis zu ≈ 90 % gegenüber fossilem Diesel (im Rahmen einer bilanziellen Betrachtung). Parallel zu dieser technisch-rechtlichen Entwicklung haben sich inzwischen auch Netzwerke von Tankstellen und Dienstleistern etabliert, die den HVO-Vertrieb sukzessive deutschlandweit ausgebaut haben.

3. Technik: Verträglichkeit – Hersteller-Freigabe – Betriebserlaubnis

Technisch handelt es sich bei HVO um einen paraffinischen Diesel nach der benannten DIN EN 15940. Viele Fahrzeughersteller haben einzelne Modelle (oder einen bestimmen Bauzeitraum einzelner Modelle) ausdrücklich für HVO-Kraftstoffe freigegeben. Es existieren Herstellerlisten und Freigabelisten beispielsweise für die Fahrzeughersteller BMW und Mercedes.

Eine generelle Freigabe des alternativen Kraftstoffes für alle Fahrzeugbauer oder für alle Modelle eines Kfz-Hersteller ist allerdings nicht erteilt. Für Taxiflotten empfehlen wir:

HVO 100 Symbole
  • Freigabe prüfen: Fehlt die Herstellerfreigabe für einen konkrete Typ oder das Baujahr, drohen u.U. Gewährleistungs- und Garantieprobleme und im Extremfall sogar das Erlöschen Betriebserlaubnis. Freigaben sind in den Herstellerunterlagen, spezialisierten Freigabelisten und über offizielle Statements der Automobilfirmen feststellbar. Oder ganz einfach: Sie befragen Ihren Vertragshändler, vorzugsweise schriftlich, die Bestätigung archivieren Sie bei Ihren Fahrzeugunterlagen.
  • Materialverträglichkeit und Langzeitwirkung: HVO ist chemisch nahe am synthetischen Dieselkraftstoff. Technische Probleme, die aus FAME-Biodiesel (RME) bekannt sind, z.B. der Quelleffekt bei Dichtungen, sind offenbar sehr selten. Gleichwohl empfehlen Hersteller und Prüfinstitute vor Einsatz von HVO 100, die Verträglichkeit bei den Kraftstoffkomponenten zu prüfen (Kraftstoffleitungen, Dichtungen usw.) sowie das Abgas-Nachbehandlungssystem (SCR, DOC, DPF) zu berücksichtigen. ADAC-Prüfungen zeigen unterschiedliche Effekte auf NOx und Partikelemission je nach Fahrzeugalter und Abgasnachbehandlung.

4. Emissionen: Klima vs. lokale Luftschadstoffe – die wissenschaftliche Lage

HVO 100 liefert in Lebenszyklusberechnungen eine deutlich vorteilhafte CO2-Bilanz, was den erwähnte Klimavorteil begründet. Studien und Gutachten, wie die Veröffentlichungen von Projektträgern, z.B. von Dena (Link: Factsheet Schwerlastverkehr) belegen nennenswerte Minderungsquoten. Gleichzeitig zeigen unabhängige Messreihen (z. B. durch die Deutsche Umwelthilfe, DUH) an einzelnen Fahrzeugen erhöhte NOx-Emissionen im Realbetrieb, vor allem bei älteren Euro-5 und Euro-6-Fahrzeugen ohne spezifische Freigabe. Die Befunde sind insoweit heterogen: Prüfstandsmessungen an freigegebenen Fahrzeugen kommen teilweise zu (geringfügig) abweichenden Messergebnissen. Insgesamt besteht keine einheitliche wissenschaftliche Bewertung, die aussagt, ob die lokale Luftschadstoffbilanz für alle Fahrzeugklassen eindeutig reduziert ist, tendenziell ist aber von einem erheblichen Einsparpotential auszugehen.

5. Konkrete Bedeutung für das Taxi-Gewerbe

HVO 100 ist sicher kein Gamechanger am Energiemarkt, optimiert aber dieCO2-Bilanz von Fahrzeugflotten (wenn Rohstoffe aus nachhaltigen Quellen stammen) und kann neben den technischen Vorteilen auch das Firmenimage stärken. Zu den nicht auszuschließenden Risiken zählen:

  • Fahrzeug-/Hersteller-Freigaben: Flotten mit Modellen ohne Freigabe riskieren Garantieverlust und Haftungsfragen. Vor jeder Umstellung ist eine systematische Abfrage der Freigaben und Rücksprache mit Herstellern/Vertragshändlern empfehlenswert. Luftschadstoff-Risiken: Bei ungeprüften Fahrzeugen können NOx-Emissionen steigen – in Städten mit strengen Luftreinhalteplänen kann das zu Konflikten mit Aufsichtsbehörden und Kommunen führen.
  • Verfügbarkeit & Kosten: HVO-Vertrieb ist ausbaubar, aber noch nicht flächendeckend vorhanden. Die Kraftstoffkosten liegen derzeit noch etwas über fossilem Diesel.

6. Empfehlungen – für Entscheider im Taxigewerbe

  • Bestandsaufnahme Flotte: Erstellen Sie eine verbindliche Liste mit Hersteller-Freigaben pro Typ, Modell und Baujahr. Nur freigegebene Fahrzeuge mit ausdrücklicher Freigabe auf HVO 100 umstellen.
  • Pilotbetrieb kontrolliert durchführen („ausprobieren“): dokumentierte Messung (= Verbrauch, Emissionen, DPF/SCR-Status) an einem freigegebenen Fahrzeug. ADAC und Prüfinstitute bieten Messprotokolle als Vorlage an.
  • Vertragliche Absicherung: Bei Leasing oder Fahrzeugkauf prüfen Sie bitte die Haftungsfrage. Wartungsverträge müssen u.U. angepasst werden.
  • Transparenz & Monitoring: Laufende Emissions- und Wartungsdokumentation. Abstimmung mit kommunalen Behörden bei städtischen Auflagen.
  • Bezugs- und Lieferketten prüfen: Herkunftsnachweise der eingesetzten HVO-Charge (Reststoffe vs. palmölhaltige Rohstoffe) einfordern, um den Image-Vorteil nutzen zu können. 
  • Aufbau einer eigenen Tank-Infrastruktur: HVO 100 kann direkt von Brennstoffhändlern oder über die Vertriebswege des Herstellers bezogen werden.

7. Fazit

HVO100 ist ein synthetisch hergestellter, paraffinischer Dieselersatz mit hohem Potenzial zur kurzfristigen Reduktion von Treibhausgasen und Schadstoffen im Straßenverkehr.

Für das Taxi-Gewerbe bietet der Kraftstoff HVO 100 definitiv Vorteile:

Es senkt Treibhausgasemissionen um bis zu 90 % gegenüber fossilem Diesel und bestehende Diesel-Fahrzeuge benötigen – technisch gesehen – keine Umbauten.

Mit wachsendem Tankstellennetz in Deutschland und Europa wird die Versorgung realistischer und der Einsatz von HVO-100-Fahrzeugen praktikabler.

Für Taxis heißt das: sauberere Luft, verminderter CO2-Fußabdruck, positive Wirkung auf das Betriebsimage und Einhaltung zukünftiger Emissionsvorschriften.

Logo HVO 100

HVO 100 ist eine technisch nutzbare, in der CO2-Bilanz vorteilhafte Option, aber nicht völlig risikofrei und nicht generell kompatibel mit allen am Markt vorhandenen Diesel-Fahrzeugen. Für das Taxigewerbe ist eine differenzierte, schrittweise Herangehensweise zu empfehlen: Prüfung von Hersteller-Freigaben, kontrollierte Pilotierungen, rechtliche und versicherungsrelevante Absicherungen sowie kritische Beobachtung von Messdaten und politisch-juristischen Entwicklungen. Die politische Debatte und laufende Prüfverfahren (DUH vs. BMDV) machen deutlich, dass Transparenz und belastbare Emissionsdaten die Voraussetzung für eine verantwortbare großflächige Nutzung sind.

Weitere Informationen:

Links & Dokumente in diesem Artikel